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Musik als Gottesbeweis?

Welchen Nutzen hat (klassische) Musik? Auf diese Frage gibt es sicherlich viele gute Antworten. Ich kann mich daran erinnern, wie ich vor einiger Zeit auf meinem Fahrrad auf dem Weg zum Bahnhof Mozart gehört und mich gefragt habe, wie man diese Musik hören und nicht an Gott glauben kann? Es ging mir dabei nicht primär um Mozart (es könnte sich um dieses Stück aus der Hochzeit des Figaro gehandelt haben), sondern ganz allgemein um die Schönheit von Musik.

Wenn man darüber nachdenkt, ist Musik doch ein überaus interessantes Phänomen: Man könnte es physikalisch aufschlüsseln, die Funktion von Wellen beschreiben und erklären, wie diese im Gehirn die entsprechenden Reize auslösen (ich spreche an dieser Stelle von Dingen, die ich nicht verstehe). Eine solche Erklärung würde aber, da bin ich mir wieder sicher, den Punkt vollkommen verfehlen. Ich glaube es geht bei Musik niemandem einfach um das physikalische Phänomen. Interessant sind doch vielmehr die emotionalen Reaktionen, die Musik auslösen kann: Musik kann in schweren Zeiten unglaublich trösten, neuen Mut wecken, aber auch in guten Zeiten wollen wir sie nicht missen. Musik beeinflusst die Seele.

Damit komme ich dann wieder zur Ausgangsfrage zurück: Wie kann man angesichts der Schönheit von Musik nicht an Gott glauben? Natürlich weiß ich, dass viele Menschen einen sehr guten Sinn für Musik haben und trotzdem nicht an Gott glauben. Ich bin aber überzeugt, dass eine Erklärung dafür, wie wir die in der Musik transportierte Schönheit tatsächlich erfahren und erleben, mindestens ein Konzept von Transzendenz voraussetzt, wobei ich mich für Gott aussprechen würde. Das gilt übrigens grundsätzlich für Kunst und Schönheit. In seinem Buch Warum Gott? argumentiert Tim Keller, dass Schönheit ein Fingerzeig auf Gott ist. Er schreibt:

Arthur C. Danto, Kunstkritiker für die Zeitschrift The Nation, beschrieb einmal ein Kunstwerk, das ihm ein Gefühl „einer verborgenen, aber unausweichlichen Sinnhaftigkeit“ vermittelte. Mit anderen Worten: Große Kunst fällt zwar nicht mit der Tür ins Haus, vermittelt keine simple „Botschaft“, aber sie gibt uns immer den Eindruck, dass das Leben mitnichten die „Geschichte eines Narr’n, voll Schall und Rauch und ohne jeden Sinn“ ist. Sie füllt uns mit Hoffnung und gibt und die Kraft weiterzumachen, auch wenn wir nicht genau benennen können, was es ist, das uns da so bewegt.

Dann zitiert Keller den Dirigenten Leonard Bernstein:

Beethoven … hat Stücke geschrieben, die atemberaubend „richtig“ sind. „Richtig“ – das ist genau das Wort! Wenn Sie den Eindruck haben, dass die nächste Note die einzig richtige ist, die an dieser Stelle möglich ist, dann hören Sie sehr wahrscheinlich gerade Beethoven. Melodien, Fugen, Rhythmen – überlassen Sie das den Tschaikowskis und Hindemiths und Ravels. Unser Junge liefert das Echte, den Stoff des Himmels, die Macht, uns am Schluss das Gefühl zu geben, dass etwas in Ordnung ist in der Welt. Da ist etwas, das einfach stimmig ist, dass treu seinem eigenen Gesetz folgt – etwas, dem wir vertrauen können und das uns niemals enttäuschen wird.

Keller zeigt weiter auf, dass wenn wir Menschen einfach nur das Produkt eines zufälligen materiellen Universums ohne Sinn sind, Schönheit einfach nur eine neurologische Reaktion in unserem Gehirn ist. Diese neurologischen Reaktionen haben es unseren Vorfahren ermöglicht, besser zu überleben. Wenn das wahr ist, hat „Schönheit“ aber keinen intrinsischen Wert und auch „Liebe“ ist nichts anderes als eine ererbte biochemische Reaktion. Aber ist jemand wirklich bereit, seine Weltanschauung so konsequent zu Ende zu denken? Keller schreibt:

Bernstein und Danto sind Zeugen der Tatsache, dass wir als säkular denkende Menschen hundertmal glauben können, dass Schönheit und Liebe nur biochemische Reaktionen sind – wenn wir vor großer Kunst und Schönheit stehen, haben wir unweigerlich das Gefühl, dass das Leben doch einen Sinn hat, dass es doch Wahrheit und Gerechtigkeit gibt und dass Liebe alles bedeutet. Man beachte, dass Bernstein, der keineswegs im traditionellen Sinne religiös ist, sogar das Wort „Himmel“ benutzt, wenn er über Beethoven spricht. Wenn wir säkulare Materialisten sind, mag unser Gehirn uns sagen, dass Wahrheit und Gerechtigkeit, Gut und Böse komplette Illusionen sind, aber in der Gegenwart großer Schönheit erzählt uns unser Herz eine andere Geschichte.

Es ist diese andere Geschichte unseres Herzens, die uns auf Gott aufmerksam macht. Am Sonntag habe ich im Radio übrigens Julius Klengels wunderschönen „Hymnus für 12 Cellos“ gehört, der auch geradezu zum Glauben einlädt:

Wer sich stärker für den Zusammenhang von Gott und Schönheit interessiert, sollte C.S. Lewis’ Predigt „The Weight of Glory“ lesen.

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