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Bibel & Theologie

Vom Vater des Glaubens lernen

In den ersten drei Kapiteln vom Römerbrief legt Paulus die totale Verderbtheit eines jeden Menschen dar, der aufgrund seiner Sünde unfähig ist, sich selbst durch Werke vor Gott zu rechtfertigen. Diese Darlegung mündet darin dass Paulus schreibt, dass die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt, nur durch den Glauben an Jesus Christus erlangt wird, der das Sühnopfer für unsere Sünden ist (Röm. 3,22-27).

In Kapitel 4 führt Paulus dann Abraham als Vorbild für die Gerechtigkeit aus Glauben an. Da er ein Beispiel für rettenden Glauben ist, ist es somit von äußerster Wichtigkeit, das Wesen dieses Glaubens zu verstehen. Abraham hatte von Gott die Zusage bekommen, ein Vater vieler Völker zu werden. Doch seit dem Zeitpunkt, als Gott die Verheißung ausgesprochen hatte, waren schon einige Jahre vergangen und noch immer war nichts davon zu sehen, dass er eine große Nachkommenschaft haben würde, da der Sohn der Verheißung noch immer nicht geboren war.

Römer 4,16-22 zeigt uns die Natur von Abrahams Glauben, der ihm als Gerechtigkeit angerechnet wurde:

„Darum ist es aus Glauben, damit es aufgrund von Gnade sei, auf dass die Verheißung dem ganzen Samen sicher sei, nicht nur demjenigen aus dem Gesetz, sondern auch dem aus dem Glauben Abrahams, der unser aller Vater ist (wie geschrieben steht: „Ich habe dich zum Vater vieler Völker gemacht“), vor Gott, dem er glaubte, der die Toten lebendig macht und dem ruft, was nicht ist, als wäre es da. Er hat da, wo nichts zu hoffen war, auf Hoffnung hin geglaubt, dass er ein Vater vieler Völker werde, gemäß der Zusage: „So soll dein Same sein!“ Und er wurde nicht schwach im Glauben und zog nicht seinen Leib in Betracht, der schon erstorben war, weil er fast hundertjährig war; auch nicht den erstorbenen Mutterleib der Sara. Er zweifelte nicht an der Verheißung Gottes durch Unglauben, sondern wurde stark durch den Glauben, indem er Gott die Ehre gab und völlig überzeugt war, dass Er das, was Er verheißen hat, auch zu tun vermag. Darum wurde es ihm auch als Gerechtigkeit angerechnet.“

  • Rettender Glaube basiert nicht auf den eigenen Fähigkeiten

„Und er wurde nicht schwach im Glauben und zog nicht seinen Leib in Betracht, der schon erstorben war, weil er fast hundertjährig war;“

Abraham sah den Tatsachen ins Auge: Mit seinen hundert Jahren war er längst über das zeugungsfähige Alter hinweg, d.h. er besaß in sich nicht die Fähigkeit, Gottes Zusage zu erfüllen. Ihm fehlten jegliche Mittel dazu. Sein Leib war schon erstorben. Doch damit nicht genug: Zu seiner eigenen Unfähigkeit kamen noch wirklich ungünstige Umstände hinzu. Das leitet über zum zweiten Kennzeichen von Abrahams Glauben:

  • Rettender Glaube schaut nicht auf die Umstände

„auch nicht den erstorbenen Mutterleib der Sara.“

Nicht nur war Abrahams Leib schon erstorben, sondern auch der seiner Frau Sara, die den Sohn der Verheißung ja schließlich gebären sollte. Sowohl Abraham als auch seine Frau, die ihm gegeben war, waren unfähig, Gottes Verheißung zu erfüllen. Menschlich gesehen erweckte alles den Anschein, als ob Gott den richtigen Zeitpunkt „verpasst“ habe und sie die Erfüllung dieser Verheißung nun doch nicht mehr erleben würden. Es war wirklich eine hoffnungslose Situation. Doch was zeichnete Abrahams Glauben aus, dass er von Gott das Gütesiegel „gerecht aus Glauben“ zugesprochen bekam?

  • Rettender Glaube vertraut auf Gott

„vor Gott, dem er glaubte, der die Toten lebendig macht und dem ruft, was nicht ist, als wäre es da. Er hat da, wo nichts zu hoffen war, auf Hoffnung hin geglaubt, dass er ein Vater vieler Völker werde, gemäß der Zusage: „So soll dein Same sein!“ (…) Er zweifelte nicht an der Verheißung Gottes durch Unglauben, sondern wurde stark durch den Glauben, indem er Gott die Ehre gab und völlig überzeugt war, dass Er das, was Er verheißen hat, auch zu tun vermag. Darum wurde es ihm auch als Gerechtigkeit angerechnet.“

Dort, wo nichts zu hoffen war, glaubte Abraham doch „auf Hoffnung hin“. Und Hoffnung im biblischen Sinn meint hier nicht etwas Ungewisses, nach dem Motto „Hoffentlich wird doch alles gut“, sondern ein völliges überzeugt sein, so wie Abraham es war. Warum konnte Abraham trotz seiner nicht vorhandenen Fähigkeit und der miserablen Umstände so gewiss sein? Die Antwort ist: Weil er mit Gott rechnete, weil er ihm vertraute. Er sah hinter der Verheißung den allmächtigen Gott, der zu halten fähig ist, was er versprochen hat – trotz aller Schwierigkeiten und alles, was scheinbar dagegen sprach. Er wusste, dass die Erfüllung der Verheißung nicht von ihm oder Sara, sondern einzig und allein von dem abhängt, der sie gegeben hat – Gott selbst!

Sein Glaube ging sogar soweit, dass er später, als der Sohn der Verheißung schon geboren war, bereit war, Gott zu gehorchen und Isaak zu opfern, weil er damit rechnete, dass Gott, der ihn ja schon aus toten Leibern gebären ließ, ihn auch aus den Toten selbst auferwecken könnte (Vers 17; Hebräer 11,19). Und das nicht, weil sein Glaube so stark war, sondern weil er viel mehr mit einem starken Gott rechnete und ihn „für treu achtete, der es verheißen hatte“ (Hebr. 11,11). So konnte er letztlich völlig überzeugt und gewiss sein, trotz allem, was scheinbar dagegen sprach.

Das meint nicht, dass Abrahams Glaube keine Schwächephasen kannte: Als er feststellte, dass die Jahre ins Land zogen und nichts passierte, verleitete ihn das auf Drängen von Sara hin zu der kleingläubigen Reaktion, seine Magd zu schwängern, um letztlich Gott selbst „nachzuhelfen“. Zweimal leugnete er, dass Sarah seine Frau war. Abrahams Glaube geriet schon des Öfteren ins Wanken und hatte Tiefpunkte, aber er wurde in der Hinsicht nicht schwach im Glauben, dass sein ganzes Leben letztlich Glaube statt Unglaube auszeichnete und er ausharrend seine Glaubensgewissheit bis zum Ende beibehielt. Dass er bereit war, Isaak zu opfern, zeigt, dass er im Glauben ausharrte und wuchs.

In den Versen 23-25 in Römer 4 wendet Paulus dieses Vorbild von Abraham auf uns heute an:

„Es steht aber nicht allein um seinetwillen geschrieben, dass es ihm angerechnet worden ist, sondern auch um unsertwillen, denen es angerechnet werden soll, wenn wir an den glauben, der unseren Herrn Jesus aus den Toten auferweckt hat, ihn, der um unserer Übertretungen willen dahingegeben und um unserer Rechtfertigung willen auferweckt worden ist.“

So wie Gott damals seine Macht durch die Geburt von Isaak zeigte, so hat er sie in der heutigen Zeit durch die Auferstehung Jesu von den Toten erwiesen. Ihn hat er – im Gegensatz zu Abraham und Isaak – wirklich aufgrund unserer Sünden in den Tod am Kreuz gegeben und dieses Opfer durch die Auferstehung Jesu beglaubigt. Demjenigen, der an dieses Opfer glaubt, wird von Gott die Gerechtigkeit aus Glauben zugerechnet und er lebt durch seinen Glauben (s. Röm. 1,17). Derjenige erfährt Vergebung von seiner Schuld, gehört zu Gottes Familie und darf sich wie Abraham der herrlichen Zukunft bei Gott gewiss sein, in der Stadt, deren Baumeister Gott selbst ist (s. Hebr. 11,10). Wir haben diese Verheißung und dürfen dessen völlig überzeugt sein.

Und ja, wir sehen uns dabei den gleichen Herausforderungen wie Abraham gegenüber: Auch wir sehen die Diskrepanz zwischen Verheißung und Wirklichkeit, wir sind noch nicht zu Hause bei Gott. Und auch wir stellen unsere eigene Unfähigkeit fest, wenn wir auf unsere Sündhaftigkeit und unser ständiges Versagen schauen; auch wir sind von negativen Umständen umgeben, wie Versuchungen, Trauer, Zweifel usw. und fragen uns dann auch gelegentlich, ob wir wirklich durchhalten und ankommen werden – ja, auch unser Glaube kennt solche Tiefpunkte wie es Abraham kannte und wir suchen dann doch noch andere Sicherheiten, die zum Scheitern verurteilt sind. Und wir stellen wie Abraham fest, dass wir selbst in einer Situation sind, in der es nichts zu hoffen gibt, dass Errettung von uns aus unmöglich ist. Doch letztlich kommen wir gerade dadurch zur Besinnung, dass nur Gott es sein kann, der seine Verheißungen erfüllt, trotz aller nicht vorhandenen Fähigkeiten und negativen Umstände. Er ist derjenige, der das angefangene Werk auch vollenden wird (s. Phil. 1,6). Wie Jesus es seinen entsetzten Jüngern schon vorhielt, die sich fragten, wer denn dann überhaupt gerettet werden kann: „Bei Menschen ist es unmöglich, aber nicht bei Gott; denn bei Gott sind alle Dinge möglich“ (Mk. 10,27). Er wird Wort halten und uns aufgrund des Opfers Christi retten. Seine Macht holte Christus aus den Toten zurück und besiegte den Tod, wie viel mehr wird seine Macht uns durchtragen und auferwecken: „Gott aber hat den Herrn auferweckt und wird auch uns auferwecken durch seine Macht.“ (1. Kor. 6,14; vgl. Röm. 8,11)

Dieser Glaube, der denjenigen für treu erachtet der die Verheißung gegeben hat und die daraus resultierende Gewissheit kennzeichnet trotz aller Widrigkeiten das Leben des Gläubigen. Rettender Glaube ist nicht mein Werk, ist nicht das Vertrauen auf meine Fähigkeit, sondern ist ein Vertrauen auf die Fähigkeit Gottes – diese Tatsache ist ein enormer Trost für uns als Gläubige.

Jemand, der das verstanden hat und dieses Vertrauen auf Gott in seiner ganz eigenen Art und Weise wunderbar ausgedrückt hat, war Martin Luther:

Mir ist es bisher wegen angeborener Bosheit und Schwachheit unmöglich gewesen, den Forderungen Gottes zu genügen. Wenn ich nicht glauben darf, dass Gott mir um Christi Willen dies täglich beweinte Zurückbleiben vergebe, so ist’s aus mit mir. Ich muss verzweifeln, aber das lasse ich bleiben. Wie Judas an den Baum mich hängen, das tu’ ich nicht. Ich hänge mich an den Hals oder Fuß Christi wie die Sünderin. Ob ich auch noch schlechter bin als diese, ich halte meinen Herrn fest. Dann spricht er zum Vater: „Dieses Anhängsel muss auch durch. Es hat zwar nichts gehalten und alle Deine Gebote übertreten, Vater, aber er hängt sich an mich. Was will’s! Ich starb auch für ihn. Lass ihn durchschlüpfen.“ Das soll mein Glaube sein.

Weil wir auf den sehen und demjenigen glauben, „der das, was er verheißen hat, auch zu tun vermag“, können wir trotz aller Widrigkeiten und der Diskrepanz, der wir noch zwischen Verheißung und Wirklichkeit ausgesetzt sind, mit Gewissheit in Hebräer 11,1 einstimmen und sagen:

„Es ist aber der Glaube eine feste Zuversicht auf das, was man hofft, eine Überzeugung von Tatsachen, die man nicht sieht.“

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