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Das Predigeramt aus Sicht eines Puritaners (1): Baxters Beweggründe für dieses Buch

Ich freue mich wirklich sehr, über dieses Buch von Richard Baxter zu bloggen, da damit das Vorrecht verbunden ist, das Buch selbst erst einmal lesen zu dürfen (bin momentan bei Seite 33). Ich gestehe, dass ich schon nach wenigen Seiten von dem reichen, tiefen und ernsten Inhalt dieses Buches getroffen und sehr herausgefordert wurde. Man wird förmlich zum Nachdenken über sein geistliches Leben gezwungen. Doch auch wenn dieses Buch leicht zu lesen ist, so kann man den Inhalt dieses Buches nicht zu leicht nehmen.

Das Buch richtet sich an den Prediger – oder den geistlichen Stand – im 17. Jahrhundert, der sich seiner großen Aufgabe und Verantwortung nicht mehr bewusst war und ein völlig gottentfremdetes Leben führte. Dieses Buch ist eine Anklageschrift gegen die Geistlichen und erinnert mich stark an die Situation der geistlichen Führer Israels, die durch ihr gottloses Leben Schuld an der miserablen geistlichen Verfassung des Volkes hatten. Genauso spricht das Buch ganz klar in unsere Zeit. Das Ziel seiner strengen und gewaltigen Rede ist es, diesen so verhängnisvollen Missstand aufzuzeigen und die lau gewordenen Prediger zur Buße und somit auf den rechten Weg zurück zu führen.

Im ersten Beitrag möchte ich die Widmung des Verfassers zusammenfassen (S. 7-14). Über die Entstehung dieses Buches schreibt Richard Baxter folgendes:

Vor einiger Zeit erweckte der Herr in seinen Dienern in der Grafschaft Worcester und einigen umliegenden Gegenden das Bewusstsein, dass sie verpflichtet seien, alle diejenigen in ihren Gemeinden zu unterrichten und zu katechisieren, die gegen diesen Dienst nichts einzuwenden hätten. Eine Übereinkunft wurde ausgesetzt und von ihnen unterzeichnet, welche den Vorsatz enthielt, dieser Pflicht künftig nachzukommen; dennoch mochten sie nicht eher an das Werk gehen, bevor sie sich nicht feierlich gedemütigt hätten. Deshalb einigten sie sich, am 4. Dezember 1655 in Worcester zusammenzukommen und sich dort gemeinschaftlich in ernsthaftem Gebet an Gott zu wenden, dass er ihnen ihre bisherige Trägheit vergeben, seinen besonderen Beistand in dem Werk, welches sie vorhatten, zu schenken, und diese Aufgabe in ihren Gemeinden erfolgreich sein zu lassen. Auch ich erhielt damals- wie auch andere- die Aufforderung, bei dieser Gelegenheit eine Predigt zu halten; und so setzte ich die hier folgende Abhandlung auf. Obwohl sie nun zu lang wurde, um sie in einer, ja selbst in zwei Predigten vorzutragen, so war damals doch meine Absicht, den für jene Umstände passendsten Teil in Form einer Predigt mitzuteilen. Doch vor der Zeit nahmen meine üblichen Krankheitsübel so sehr zu, dass ich nicht hingehen konnte, und, um mein unverschuldetes Ausbleiben wiedergutzumachen, gab ich den Bitten einiger Brüder sehr gern nach und ließ meine Abhandlung drucken, damit es alle, die es damals nicht hören konnte, nun lesen möchte.

Richard Baxter stand in Folge in der Kritik der oben beschriebenen Leute, dass er die Sünden des geistlichen Standes nicht so direkt und scharf hätte rügen sollen, zumindest nicht so vor aller Welt – oder aber dass er sich der lateinischen Sprache hätte bedienen sollen, damit das Volk, Quäker und Papisten dieses nicht verstehen und ihnen somit nicht die Möglichkeit gegeben würde, verächtlich über die Geistlichen zu reden.

Allerdings hatte Baxter dies durchaus überlegt, doch aus folgenden 5 Gründen sich dennoch entschieden, diese Schrift öffentlich zu machen:

      1. Wir waren übereingekommen, uns feierlich vor dem Herrn zu demütigen und ihn um Vergebung zu bitten- dafür war diese Arbeit bestimmt. Wie hätten wir uns aber wohl demütigen können, ohne ein offenes Bekenntnis unserer Sünden?

      2. Wie kann man aber daran Anstoß nehmen, dass wir unsere eigenen Sünden bekennen und den Vorwurf und die Schande auf uns nehmen, wie es unser Gewissen uns sagte?

      3. Ferner: wenn die Sünde vor aller Welt geschieht, ist es vergeblich, sie verbergen zu wollen, und auf jede öffentliche Sünde sollte auch ein öffentliches Bekenntnis folgen.

      4. Hätten die englischen Geistlichen in lateinischer Sprache gesündigt, so hätte ich mich zuletzt wohl entschlossen, es ihnen lateinisch vorzuhalten oder hätte es ganz unterlassen. […] Sünde, die uns nicht vergeben ist, lässt uns ja nie zur Ruhe kommen und hindert unser Wachstum, wenn wir auch noch so viel Mühe und Arbeit darauf verwenden, um sie zu verbergen; unsere Sünde findet uns sicher, wenn wir sie nicht finden. […] Gehen wir so zart mit uns selber um und sind so träge zum Bekennen, so wird Gott umso weniger zart mit uns umgehen und uns selbst unsere Bekenntnisse diktieren. […]

      5. Schließlich: Viele die im Predigtamt stehen, leben einfach so weiter in ihrer Selbstsucht, Faulheit, ihrem Stolz und anderen Sünden, sodass es unsere heilige Pflicht wurde, sie zu ermahnen. Hätten sie sich ohne Vorhaltungen geändert, so hätten wir gerne die diese Bekanntmachung ihrer Sünden unterlassen. Da sich nun aber die Vorhaltungen so unwirksam zeigen, da sie sich daran mehr, als an der Sünde selbst stoßen und lieber wollten, dass wir mit unseren Vorhaltungen aufhörten, als das sie mit sündigen aufhören mögen, so scheint es mir wohl an der Zeit, die Arznei etwas stärker zu machen. Denn was sollen wir sonst tun? Unsere Brüder als unheilbar aufzugeben, wäre ja doch grausam, solange noch Heilmittel angewendet werden können. Es heißt ja: „Du sollst deinen Bruder nicht hassen in deinem Herzen, sondern du sollst deinen Nächsten ernstlich zurechtweisen, dass du nicht seinetwegen Schuld tragen musst“ (3. Mose 19,17). Die Sünden der Geistlichen zu ignorieren, heißt, das Verderben der Kirche zu fördern, denn was kann die Leute schneller und sicherer ins Verderben stürzen als die Verdorbenheit ihrer Leiter? Und wie kann man wirksamer an einer Erneuerung der Kirche arbeiten, als dadurch, dass man an der Erneuerung ihrer Lehrer arbeitet? […] Denn wer – wenn er eine Stimme hat – kann ruhig sein, wenn es um die Ehre Gottes, das Wohlergehen seiner Gemeinde und das ewige Heil von so vielen Seelen geht.

Der 5. Grund ist m.E. der wichtigste Auslöser dieses Buches. Richard Baxter fordert dazu auf, sich seiner Verpflichtungen wieder bewusst zu werden:

Die erste und wichtigste Frage, die ich euch vorzulegen habe, ist diese: Ob es nicht die unzweifelhafte Pflicht der Prediger ist, jeden persönlich zu unterrichten und zu lehren, der ihnen Gehör geben will.

Er selber ist vom Erfolg überzeugt:

Ich muss gestehen, dass aus meiner Erfahrung heraus, durch dieses Werk, unter der Gnade Gottes, der Zustand unserer Kirche wesentlich verbessert werden sollte; dadurch wird die so weit verbreitete Unwissenheit aufhören; dadurch müssen die harten Herzen der Sünder erreicht werden; es muss ihnen ihre eitlen Ausflüchte versperren und ihnen ihre Vorurteile wegnehmen; es muss den treuen Seelsorgern ihre Herzen öffnen, die Wirkungen der öffentlichen Predigt des Evangeliums wesentlich fördern, und die Gottseligkeit zu einem Eigentum von mehr Personen und Familien machen, als sie es bisher gewesen ist. Ich meine, dass wir bis jetzt nie dieses sicherste Mittel zur Zerstörung des Reiches der Finsternis gebrauchten.

Hier ist jeder Christ gefragt, ob Prediger, ob in der Jugend- oder Kinderarbeit, ob mit oder ohne theologische Ausbildung. Gilt diese Verpflichtung nicht für jeden Christen? Was meint ihr? Wie sollten wir als Christen heute reagieren, wenn wir den Zustand der Kirche in Deutschland sehen?

Dieses Buch und die Beiträge sollen dazu ermutigen und herausfordern, sich ganz für das Reich Gottes einzusetzen, und, wo man träge geworden ist, die Hände und Füße stärken zu lassen, um wieder feste Schritte im Glauben zu gehen.

VD: JL

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