Wer den Fluss der Geistesgeschichte analysiert, wird feststellen, dass es in der westlichen Welt „einen wachsenden aufklärerischen Impuls hin zum Rationalismus“ gegeben hat: Der Mensch versucht Welt und Leben unabhängig von göttlicher Offenbarung allein durch die menschliche Vernunft zu verstehen. ‚Vernunft‘ bedeutet demnach, in einem geschlossenen System, das auf Ursache und Wirkung aufbaut und Gott ausschließt, zu denken. Es bedeutet, die Welt auf eine naturalistische Art zu betrachten und alles Übernatürliche als unvernünftig auszuschließen.
„Diese Verschiebungen führten jedoch, wie Schaeffer behauptete, schließlich zu einer dichotomen Sicht der Wirklichkeit, die er das ‚Unter- und das Obergeschoss‘ nannte.“
Natürliche Dinge (Untergeschoss) können ‚vernünftig‘ erklärt werden, übernatürliche Dinge (Obergeschoss) wie z.B. der Glaube an Gott, können anhand dieses Modells nicht erklärt werden. Glaube und Vernunft werden strikt voneinander getrennt. Die Menschen leben zwar
„im ‚Glauben‘, mit einem Glauben jedoch, der wenig oder keinen Inhalt und kein vernunftgemäßes Fundament hat.“
Je stärker diese Trennung im Denken verankert wird, desto stärker wird das Obergeschoss von Erfahrungen dominiert, die „losgelöst von Wahrheit, Vernunftgemäßheit und Wirklichkeit“ sind.
Was bedeutet das für unsere Evangelisationsbemühungen?
Die Gefahr für unsere Evangelisationsbemühungen liegt darin, „Lehre und Inhalt zugunsten von Erfahrung“ herunterzuspielen. „Erfahrung ist wichtig, und Schaeffer betonte diese Tatsache stark. Aber Erfahrung darf nicht losgelöst von der Wahrheit sein.“ Sonst riskieren wir es, „Bekehrte zu machen, die an Jesus ‚glauben‘ als lediglich eine weitere ‚Obergeschoss‘-Erfahrung“
aus: Stephen J. Wellum: Francis A. Schaeffer (1912-1984): Lehren aus seinem Denken und Leben. Warum das Leben und Denken von Francis Schaeffer studieren? in: Ron Kubsch (Hg.): Wahrheit und Liebe. Was wir von Francis Schaeffer für die Gegenwart lernen können. vkw: Bonn 2007, S. 17-63.