Wer von Bibelkritik redet, denkt in der Regel an die liberale Theologie. Thomas Schirrmacher schreibt in dem Artikel „Bibeltreu oder der Bibel treu? Glaubwürdigkeit und Unfehlbarkeit der Schrift“:
Zur Zeit Jesu gab es die Sadduzäer, gewissermaßen die Liberalen der damaligen Zeit, die große Teile des Alten Testamentes verwarfen und die Auferstehung der Toten leugneten. Jesus begegnet ihnen durchaus kritisch.
Aber dann beschreibt er eine weitere Form der Bibelkritik:
Es gibt auf der anderen Seite auch sehr fromme, ‚heimliche Formen der Bibelkritik‘. Während man dem Wort Gottes gegenüber Lippenbekenntnisse ablegt und es zitiert, leugnet man de facto seine Autorität und folgt in der Praxis anderen Maßstäben.
Jesus kritisiert diese heimlichen Formen vehement:
Aber die massivere Kritik [von Jesus] bezog sich auf die Frommen seiner Zeit, die Pharisäer. Sie waren es, die sich ständig auf Gott beriefen, die den Glauben im Alltag praktizieren wollten und die sich dem griechisch-römischen Zeitgeist entgegenstellten. […] Stellvertretend für viele andere Texte wird in Mk 7,-13 […] deutlich, dass Jesu Hauptvorwurf war, dass sie Gottes Wort zugunsten ihrer frommen, menschlichen Traditionen preisgegeben hatten.
Bibelkritik, getarnt als Bibeltreue.
Schirrmacher sieht in den Pharisäern übrigens die „Evangelikalen des 1. Jahrhunderts“ und weist in der Fußnote auf den bezeichnenden Artikel „Pharisäer und Pietisten – ein Vergleich zwischen zwei analogen Frömmigkeitsbewegungen“ von Roland Deines hin.