Bei der Lektüre ausgewählter Passagen des Buches „2000 Jahre Kirchengeschichte“[1] von Armin Sierszyn hat mich das Lebensende von Johannes Calvin ergriffen, so dass ich Gott für diesen Mann danken musste. Es ist die Demut dieses Reformators, die mich beeindruckt hat. Im Sinne von Hebräer 13,7 zitiere ich die Passage aus dem Kirchengeschichtswerk.
Bleibt eurer Führer eingedenk, die euch das Wort Gottes verkündigt haben! Betrachtet immer wieder den Ausgang ihres Wandels und nehmt ihren Glauben zum Vorbild! Hebr. 13,7
Nach 23 Jahren unermüdlicher Arbeit sind die Kräfte des 55-jährigen Reformators aufgezehrt. Er fühlt den Tod und bestellt sein Haus. In allen Kirchen, selbst im fernen Zürich, wird für ihn gebetet. Ausnahmsweise nimmt er vom Rat ein Geschenk an: ein Fässchen Wein zur Stärkung. Als selbst der greise Farel aus Neuchâtel nach Genf reitet, um ihn an seinem Lager nochmals zu umarmen, ist Calvins Freude vollkommen. Mit letzter Kraft verabschiedet er sich vom Konsistorium. Alle sind tief betroffen, denn sie wissen, dass ein Freund von ihnen scheidet, durch den Gott die Rhonestadt erneuert und Spuren des Segens in die weite Welt gezogen hat. Calvins Einfluss reicht weit über die Mauern Genfs und die Schweiz hinaus. Teile von Westdeutschland, das gebildete Frankreich, Kirchen auf den Britischen Inseln, die Niederlande, Kirchen in Polen, Ungarn und Amerika bauen und ordnen ihre Gemeinden nach dem Geiste Calvins. Sie bezeugen die Herrlichkeit des Herrn auch für diese Welt und übernehmen Mitverantwortung in Staat und Gesellschaft. […] In ihm verliert die evangelische Kirche ihren bescheidensten und körperlich schwächsten, hinsichtlich seiner Wirkung aber den stärksten Reformator [Herv. Durch Verf.].
Calvin leidet an Gicht und Nierensteinen. Eine Lungenentzündung schwächt ihn vollends. So stirbt er, im Dienste Christi verzehrt, bei Sonnenuntergang am 27. Mai 1564 mit den Worten: „Quousque Domine?“, d.h. „Wie lange noch, Herr?“ Seine Hinterlassenschaft beträgt ganze 250 Taler, die er auf die Bruderkinder und die Akademie verteilt. Wie sein Testament es verlangt, wird er ohne Gedenkstein, Reden, Lieder oder Gepränge bestattet. Als wenige Monate später Fremde auf dem Friedhof von Plainpalais die Stätte seiner Ruhe suchen, kann man unter den vielen frischen Gräbern das seine schon nicht mehr vorzeigen. So kennt denn niemand sein Grab bis auf den heutigen Tag [Herv. Durch Verf.].[2]
[1] Sierszyn, Armin 2012: 2000 Jahre Kirchengeschichte. Ulm.
[2] Ebd. S.538f