Ein Gastbeitrag von Simon Koop:
Manchmal gibt es unter Christen die Ansicht, der Mensch müsse glauben, um wiedergeboren zu werden. Häufig wird dann im selben Zuge auch Apostelgeschichte 16,31 zitiert, wo Paulus und Silas zu dem Kerkermeister sagen: „Glaube an den Herrn Jesus Christus und du wirst errettet werden“. Der Glaube wird als etwas verstanden, was der Mensch von sich aus tun muss, um den heiligen Geist zu erhalten und errettet zu werden.
In einem Buch las ich kürzlich:
Der Glaube ist nicht etwas, was Gott einem gibt oder auch nicht. Glaube ist ein persönlicher Entschluss, eine Willensentscheidung.[1]
Ich habe mich gefragt, woran es liegen kann, dass so viele Gläubige davon ausgehen, ihr Glaube sei die Ursache ihrer Wiedergeburt.
Doch was sagt die Bibel dazu? Ist diese vorherrschende Meinung wirklich auf der Schrift gegründet oder kann es sein, dass sie vielleicht doch nicht zutrifft?
Der Apostel Paulus behandelt diese Thematik u.a. in Epheser Kapitel 2,1-10. Nachdem er im ersten Kapitel auf die Grundlage der Einheit der Gemeinde eingeht (nämlich auf das Werk des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes), geht er anschließend auf die Errettung aus Gnaden durch Glauben ein und beginnt ganz von Anfang.
„Auch euch hat er auferweckt, die ihr tot wart in euren Vergehungen und Sünden, in denen ihr einst wandeltet gemäß dem Zeitlauf dieser Welt, gemäß dem Fürsten der Macht der Luft, des Geistes, der jetzt in den Söhnen des Ungehorsams wirkt. Unter diesen hatten auch wir einst alle unseren Verkehr in den Begierden unseres Fleisches, indem wir den Willen des Fleisches und der Gedanken taten und von Natur Kinder des Zorns waren wie auch die anderen. Gott aber, der reich ist an Barmherzigkeit, hat um seiner vielen Liebe willen, womit er uns geliebt hat, auch uns, die wir in den Vergehungen tot waren, mit dem Christus lebendig gemacht – durch Gnade seid ihr errettet! Er hat uns mitauferweckt und mitsitzen lassen in der Himmelswelt in Christus Jesus, damit er in den kommenden Zeitaltern den überragenden Reichtum seiner Gnade und Güte an uns erwiese in Christus Jesus.“
Der Apostel beschreibt unmissverständlich den Zustand der Gläubigen vor ihrem Glauben, ihrer Buße und ihrer Wiedergeburt: tot. Geistlich tot. Unfähig, von sich aus in eine Beziehung zum heiligen Gott zu treten. Das Leben orientierte sich am Zeitgeist. Unzucht war in Ephesus eine Selbstverständlichkeit: Unter anderem an einer der Hauptkreuzungen stand ein großes Bordell. Der Kaiser wurde verehrt und Götzendienst und Okkultismus waren größtenteils unhinterfragt.
Sie taten das, „was ihr Vater, der Teufel“ (Joh 8,44) wollte. Moralisch verderbt und dem Zustand nach tot. Dieser wirkt immer noch in den Menschen, die nicht glauben, sagt Paulus. Sie sind Söhne des Ungehorsams und leben willig in Rebellion und Feindschaft gegen den reinen und vollkommenen heiligen Gott. Und nun zielt Paulus es auf alle Menschen ab, sich selbst mit inbegriffen. Er charakterisiert das Leben aller Menschen, die unter der Universalität der Sünde stehen:
- Verkehr in den Begierden unseres Fleisches
- Indem wir den Willen des Fleisches
- Und der Gedanken taten
- Von Natur Kinder des Zorns
Die „drei Feinde“ Gottes führt er auf:
- Die Welt
- Den Satan
- Das Fleisch/Kinder des Zorns
Es ist ein schreckliches Szenario, in dem sich die Epheser befanden, bevor sie gerettet wurden. Und in dem sich auch der Rest der Menschheit seit dem Sündenfall befindet. Sie stehen unter dem ewigen Zorn Gottes. Und Paulus zeigt auf, dass es einer Rettung von außerhalb bedarf, bzw. diese Rettung von außen kam. Von Gott.
Er griff in die toten Gebeine ein (vgl. Hes 37). Er erweckte sie vom geistlichen Tod, aufgrund seiner unendlichen Barmherzigkeit und ewiger Liebe mit der er seine Erwählten in der ewigen Vergangenheit angesehen hat (Eph 1,4.5; Röm 9). Der Schlüssel zur Auferweckung war Christus. Dieser starb stellvertretend für Sünder und in seinem Werk wurden die Epheser von geistlich Toten zu geistlich Lebendigen. Das ist die Wiedergeburt, welche für uns trotz allem ein Geheimnis ist. Gott rief sie wirksam. Ein geistlich Toter bekommt Leben (Joh 5,24) und er bekommt eine neue Natur, sein steinernes Herz wird zu einem fleischernen (Hesekiel 11,19), aus der Finsternis wird er ins Licht geführt (1 Petr 2,9) und so eine neue Schöpfung (2Kor 5,17). Wiedergeburt ist im Übrigen nicht gleichzusetzen mit der Versiegelung durch den Heiligen Geist. Wiedergeburt ist das aktive Handeln Gottes am Sünderherz. Er erneuert es. Die Versiegelung bezeichnet den absoluten Einzug des Heiligen Geistes in den Sünder, der gerechtfertigt vor Gott steht.
A.T. Pierson schreibt:
„Dies ist ein freiwilliger Liebesbeweis Gottes, zu dem er absolut nicht verpflichtet ist. Die Herrlichkeit der Gnade besteht darin, dass ein völlig freier, uneingeschränkter Liebeserweis Gottes gegenüber armen Sündern ist.“
Diese Tatsachen sind so gewaltig und unmissverständlich. Paulus fasst sie zusammen: „durch Gnade seid ihr errettet!“.
Denn aus Gnade seid ihr errettet durch Glauben, und das nicht aus euch, Gottes Gabe ist es; nicht aus Werken, damit sich niemand rühme.
Die Gnade Gottes besteht darin, dass Gott die Epheser in Jesus von den geistlich Toten auferweckte und sie durch den Heiligen Geist wirksam in den Glauben führte, „doch so, dass sie ganz freiwillig kamen, willig gemacht durch seine Gnade“[2]. Er führte sie dahin, dass sie sich zu Gott wandten und ihr Vertrauen allein auf Jesus; auf das Evangelium setzten. Das ist der rettende Glaube.
Die Errettung aus Gnaden durch Glauben ist zu einhundert Prozent das Werk Gottes, in welches er den Willen des Menschen zu einhundert Prozent mit einbezieht und in den Glauben führt, nachdem er ihn von den geistlich Toten auferweckt hat. Paulus beschreibt genau diese Errettung als Gabe Gottes. Das ganze Paket der Errettung aus Gnade durch Glauben ist Gottes Gabe.
Und die Reihenfolge, auch bekannt als ein Teil der Heilsordnung (Ordo Salutis), ist aus diesem Text ersichtlich und nicht zu leugnen. Sie findet sich u.a. auch in Römer 8,30ff.
Gott macht geistlich Tote lebendig durch das Wort (Röm 10,16) und daraufhin werden sie zum Glauben kommen, Buße tun, von Gott gerechtfertigt (Röm. 8,30), hinein adoptiert in die Familie Gottes und mit dem Heiligen Geist versiegelt (Eph. 1,13). Man könnte sagen, dass der Heilige Geist die Tür hinter sich zuzieht. Diese bleibt bis zur ausstehenden Verherrlichung (Röm. 8,30) verschlossen. Gottes Heilshandeln regt zum Staunen und zur Anbetung an. Gott nimmt Kinder des Zorns, und macht sie zu seinen Söhnen und Töchtern, zu seinem Eigentum. Er nimmt sündige Menschen, die nichts anderes verdient haben als in seinem ewigen Zorn zu brennen in seine Familie auf. Aus Gnade, durch Glauben. Wie wunderbar ist Gottes Heilshandeln!
So wie der Blinde in Markus 8,22-26 der göttlichen Hand Jesu bedarf, um zu sehen, so bedarf der geistlich „Blinde“ der mächtigen Hand Gottes, um seinen sündigen Zustand sowie seine Verlorenheit vor Gott zu sehen und diesem zu entrinnen.
Die Problematik an der verfälschten „Reihenfolge“ ist die, dass der Glaube zur Werksgerechtigkeit wird, wenn dieser der Wiedergeburt voran gesetzt wird. Paulus macht deutlich, dass ein geistlich Toter eines Wunders bedarf. Dies ist kein mystisches Erlebnis. Nein, Gott führt Sünder zum Glauben und dies ist allein sein Werk, welches keine Voraussetzungen an den Menschen stellt. Freie Gnade Gottes.
Sicherlich drängt sich die Frage auf: Wie kann ich denn wissen das ich wiedergeboren bin? Paulus gibt uns eine klare Antwort: Aus Gnade, durch Glauben. Der Glaube charakterisiert die Wiedergeborenen. Selbstverständlich hört Gottes Handeln im Leben der Erretteten nach der Berufung zum Glauben nicht auf. Sie waren vorher Sklaven der Ungerechtigkeit und sind nun Sklaven der Gerechtigkeit (Röm 6). Gott ist unser liebender Vater, aber er ist auch unser König und wir sowohl Söhne und Töchter als auch Sklaven. Heiligung ist ein grundlegendes Thema für jeden Gläubigen. Ist unser Leben geprägt von Sünde, die wir einfach nicht lassen wollen, müssen wir uns hinterfragen (2Kor 13,5). Johannes schreibt: „Hieran erkennt ihr den Geist Gottes: Jeder Geist, der Jesus Christus, im Fleisch gekommen, bekennt, ist aus Gott“ (1Joh 4,2). Aber wie der Kerkermeister sich seines sündigen Zustandes bewusst wurde und dann fragte: „Was muss ich tun um errettet zu werden“ so gilt auch für Sünder heute: „Glaube an den Herrn Jesus Christus und du wirst errettet werden“.
[1] Fiat Lux – Es werde Licht – James McCarthy (nicht empfehlenswert)
[2] Westminster Bekenntnis
4 Antworten auf „Ordo Salutis?!“
Hallo Simon,
ich kann aus deinem Beitrag leider noch nicht recht verstehen, wo die Verantwortung des Menschen ist. Du schreibst, dass es zu 100% Gottes Werk ist und zu 100% der Wille des Menschen einbezogen wird. Ich verstehe allerdings nicht, was denn die Verantwortung des Menschen ist. Der gesamte Artikel klingt für mich so: Gott rettet Menschen in seiner Souveränität und die Menschen können nicht anders als zu Glauben. Das klingt für mich so, als ob es für den Menschen keine andere Wahl gibt, als zu Glauben (wenn ich deinen Artikel korrekt verstanden habe). Wo ist da die Verantwortung des Menschen?
Ganz am Anfang deines Artikels führst du ein Zitat an und fragst dich anschließend bezugnehmend auf das Zitat, woran es liegt, dass Gläubige meinen ihr Glaube wäre die Ursache ihrer Wiedergeburt. Möchte diese Zitat das tatsächlich sagen? Ich denke nicht. Das Zitat macht nur deutlich, dass der Glaube eine persönliche Entscheidung des Menschen ist und nicht von Gott einfach „aufgezwungen“ wird. Das sagt m.E. noch nichts über die Ursache für die Wiedergeburt aus.
Herzliche Grüße
KD
Guten Abend KD,
Zur Verantwortung des Menschen sagt der Artikel bewusst nicht viel aus. Der erste Grund dafür ist der Bibeltext selbst. Paulus spricht in Epheser 2,1-10 nicht über die Verantwortung des Menschen, sondern über Gottes souveränes Heilshandeln.
Ich verstehe die Verantwortung des Menschen bei der Bekehrung eingebetet in Gottes Souveränität. Gott schenkt dem Sünder ein neues Herz und somit wird der Sünder wirksam zu Jesus gezogen, doch so, das er ganz freiwillig kommt, willig gemacht durch Gottes Gnade. Die Entscheidung für den Gehorsam dem Evangelium gegenüber bedarf der Wiedergeburt, denn wenn diese nicht stattfindet kann der Mensch sich nicht dafür entscheiden das Evangelium anzunehmen (1.Kor2,14).
Dennoch ist jeder Mensch selbst verantwortlich, Christus anzunehmen oder eben nicht (Römer 2,4.5). Dieses scheinbare Paradoxon werden wir wohl nicht erklären können und ich glaube, dass brauchen wir auch nicht, denn die Schrift gibt uns keine explizite Erklärung dafür.
Der zweite Grund ist, dass der Artikel auf Gottes Handeln bei der Errettung abzielt, speziell auf Gottes Handeln vor der Hinwendung des Menschen. zu Gott.
Zu dem Zitat aus dem Buch möchte ich gerne noch ein paar Informationen zum Zusammenhang geben.
Zuerst dreht es sich im gesamten Buch, in Form eines Romans um die Soteriologie. Der direkte Zusammenhang ist, dass die Personen des Buches darüber diskutieren, ob der Glaube eine Entscheidung wäre, oder ob er von Gott geschenkt wird. Der Glaube selbst ist ja eigentlich keine Entscheidung. Es geht um die Entscheidung, dem Evangelium gehorsam zu sein und diesem zu Glauben. Also die Entscheidung zu Glauben oder eben nicht. Der Autor selbst geht davon aus, dass der Mensch erst dann Wiedergeboren wird, wenn er Glaubt und Buße tut. Die Versiegelung findet nach der Umkehr und Hinwendung zu Gott statt, das ist richtig. Allerdings beschreibt diese keinesfalls die Erneuerung des Herzens.
Du hast natürlich recht damit, dass diese Aussage primär darauf abzielt den Glauben als Entscheidung darzustellen. Wäre dieses so wie im Zusammenhang des Buches beschrieben, hätte der Sünder etwas, mit dem er sich am Ende vor Gott rühmen könnte. Doch genau das verneint Paulus ausdrücklich in Eph.2,8. Von der Wiedergeburt bis zur Verherrlichung ist es vollkommen Gottes Werk. Natürlich muss der Mensch Glauben und Buße tun, dass tut nicht Gott für ihn. Aber wie kommt dieses zustande, ist die Frage die beantwortet wird: Eine Gabe Gottes.
Herzlichen Gruß und im Herrn verbunden
Simon
Hallo Simon,
nochmal eine Frage zur Verantworung des Menschen, da ist mir eine Sache noch nicht ganz klar. Verstehe ich es richtig, dass wenn Gott den Menschen wirksam ruft er keine andere Möglichkeit hat als zu diesem Ruf „Ja“ zu sagen? Oder kann der Mensch sich trotz dieses wirksamen Rufes dagegen entscheiden?
Herzliche Grüße
KD
Guten Abend KD,
ich denke, wir sollten um dieser Frage eine genügende Antwort zu geben, zwei Dinge beachten.
Erstens, die Auserwählung vor Grundlegend der Welt (Eph1,4.5; Römer 8,29). Der Vater gab aus lauter Liebe seinem Sohn die Schafe (Joh10,16; Joh17,24). Diese Sünder, denen Gott seine freie Gnade in Jesus Christus erweist, sind grundsätzlich unfähig „Ja“ zum Evangelium zu sagen (1.Kor2,14). Die Erwählten, für die Jesus am Kreuz sein Blut vergoß, werden in der Zeit wirksam berufen durch das Wort und die Wiedergeburt. Bedingt durch die Wiedergeburt werden sie sich zwangsläufig für das Evangelium „entscheiden“, denn sie erkennen die Erhabenheit des Kreuzes, ihre Sündhaftigkeit und vor allem ihre Verlorenheit. Dementsprechend werden sie zu Gott kommen. Es gibt in diesem Zusammenhang keine Gegenentscheidung, denn wenn der Mensch sich im Lichte des Wortes Gottes sieht, wird er zu Christus rufen, anklopfen und ihm wird aufgetan werden.
Die zweite Sache dreht sich um die Berufung selbst. Aufgrund der Sündhaftigkeit (Röm3) ist die wirksame Berufung und Wiedergeburt notwendig, damit der Mensch überhaupt eine Entscheidung für Christus treffen kann.
Tim Kelly formuliert es sehr treffend:
„Obwohl das Evangelium Torheit für den Heiden ist, und ein Stolperstein für den Juden, für den Berufenen ist es Gottes Kraft und Gottes Weisheit. Der Unterschied zwischen den Ungläubigen und den Gläubigen, ist also die wirksame Berufung Gottes (1.Kor. 1,18-24). Alle, die der Vater zu sich selbst ruft, kommen im Glauben und alle die im Glauben kommen, wird der Vater annehmen (2.Tim. 1,9; Joh. 6,37-40, 44; Apg. 13,48).“
https://leben-aus-gnade.de/ueber-uns/glaubensbekenntnis/
Ich denke, dass die Frage eigentlich ein künstliches Szenario erstellt, welches es so in der Schrift nicht gibt. Es dreht sich um die Fragen: „Was wäre wenn…“. Die Schafe Jesu werden zu ihm kommen. Sie werden sich auf keinen Fall dagegen entscheiden, denn Gottes Wort ist mächtig und trennt Glauben von Unglauben und rettet hoffnungslose Sünder vom ewigen Verderben.
Würden sich die Erwählten Gottes innerhalb der wirksamen Berufung gegen ihn entscheiden, wären Jesu Worte aus Johannes 10,28-31: „Meine Schafe hören meine Stimme, und ich kenne sie, und sie folgen mir; und ich gebe ihnen ewiges Leben, und sie gehen nicht verloren in Ewigkeit, und niemand wird sie aus meiner Hand reißen…“, nicht wahr geworden.
Um ganz Konkret auf deine Frage zu antworten:
Die Möglichkeit zur Abwendung innerhalb der Berufung sei mal dahingestellt, allerdings gibt uns die Schrift eine klare Antwort: Die Erwählten WERDEN sich NICHT abwenden. Das zeichnet eben ja auch die wirksame Berufung vom allgemeinen Ruf aus. Sie, die Schafe, werden zu Christus kommen und Ausharren bis ans Ende. Das wird ihren wahren und rettenden Glauben beweisen (Hebr3,14).