In seinem Essay „Über Märchen“ identifiziert J. R. R. Tolkien „den ältesten und tiefsten Wunsch, den nach der großen Flucht: der Flucht vor dem Tode“. Der Trost, den Märchen hier bieten, „hat noch einen anderen Aspekt als die phantastische Befriedigung uralter Wünsche.“ Was lieben wir so sehr an Märchen? Es ist die Gewissheit, dass sie gut ausgehen:
Sehr viel wichtiger ist der Trost, den der glückliche Ausgang gewährt. Fast möchte ich die Behauptung wagen, daß jedes vollständige Märchen glücklich enden muß. Zumindest will ich aber sagen, daß die Tragödie die echte Form des Dramas ist, sein höchster Zweck; und das Gegenteil gilt vom Märchen. Da wir für dieses Gegenteil offenbar kein Wort besitzen, möchte ich es Eukatastrophe nennen. Die eukatastrophische Erzählung ist die echte Form des Märchens und sein höchster Zweck.
Tolkien erklärt weiter:
Der Trost des Märchens, die Freude über den glücklichen Ausgang oder, richtiger, die gute Katastrophe, die plötzliche Wendung zum Guten (denn kein Märchen hat ein echtes Ende), diese Freude, welche das Märchen so vortrefflich zu bereiten weiß, ist ihrem Wesen nach nicht „eskapistisch“ oder „wirklichkeitsflüchtig“. In ihrem märchenhaften […] Rahmen, ist sie eine plötzliche und wunderbare Gnade: Mit ihrer Wiederholbarkeit ist niemals zu rechnen. Sie verleugnet nicht das Dasein der Dyskatastrophe, des Leides und Mißlingens, denn deren Möglichkeit ist die Voraussetzung für die Freude der Erlösung; sie verleugnet (dem Augenschein zum Trotz, wenn man so will) die endgültige, allumfassende Niederlage, und insofern ist sie Evangelium, gute Botschaft, und gewährt einen kurzen Schimmer der Freude, der Freude hinter den Mauern der Welt, durchdringend wie das Leid.
Warum erinnern uns Märchen – völlig berechtigt – an die Jesusgeschichte? Der Grund ist folgender: die Jesusgeschichte ist ein Märchen. Allerdings besteht ein entscheidender Unterschied zu allen anderen Märchen:
Diese Erzählung [von Jesus in den Evangelien] aber ist in die Geschichte […] eingegangen […]. Christi Geburt ist die Eukatastrophe der menschlichen Geschichte. Die Auferstehung ist die Eukatastrophe der Erzählung von der Fleischwerdung. Diese Erzählung beginnt und endet in Freude. […] Sie abzuweisen, führt entweder zur Traurigkeit oder zur Wut.
In dem historischen „Jesusmärchen“ werden alle Märchen wahr, die Auferstehung Jesu verheißt uns Freude und Hoffnung, die über die „Mauern der Welt“ hinausreicht. Das heißt nicht, dass wir schon jetzt von allen Leiden befreit sind: „Noch immer muß der Christ sich mühen“, erklärt Tolkien, „mit Leib und Seele; er muß leiden, hoffen und sterben“. Und doch, die Auferstehung verändert alles: In all unseren Nöten ist Christus mit uns – und wir wissen: die Geschichte geht gut aus!
Diese Dynamik – des Leidens, der Mühen und des großartigen Hoffens – hat Glen Scrivener in seinem Ostergedicht „If You Had Been Here“ schön zusammengefasst:
Eine Antwort auf „Die Auferstehung Christi als „Eukatastrophe“: Freude und Hoffnung „hinter den Mauern der Welt““
danke für den hinweis auf das Video und auch den Essay, ihr habt immer wieder überraschende Artikel