Seit dem Zweiten Weltkrieg und zunehmend nach dem Zerfall der Sowjetunion sind Russlanddeutsche in die Bundesrepublik übergesiedelt. Die Erforschung ihrer Geschichte wird seitdem von verschiedensten Initiativen und Einzelpersonen vorangetrieben; stellvertretend seien das Museum für Russlanddeutsche Kulturgeschichte in Detmold und der kürzlich verstorbene John N. Klassen genannt. Aber auch auf explizit akademischer Ebene findet durch die Juniorprofessur „Migration und Integration der Russlanddeutschen“ an der Universität Osnabrück eine Auseinandersetzung mit der Geschichte der Russlanddeutschen statt.
Um klassische Geschichtsschreibung zu betreiben ist es zwingend notwendig, die dafür erforderlichen Quellen zu sichern und letztendlich auch nutzbar zu machen, d.h. der Allgemeinheit zur Verfügung zu stellen. Diese Rolle wird traditionell von Archiven übernommen, die potentielles Archivgut sammeln, erschließen und anschließend in irgendeiner Form nutzbar machen. Für den Bereich der russlanddeutschen Geschichte sind – neben den staatlichen Archiven v.a. der BRD und Russlands – auch hier wieder viele private Einrichtungen zu nennen. Zu den (mir bekannten) gehört das Archiv des Detmolder Museums, dessen Bestände aber nur z.T. öffentlich einzusehen sind, sowie das Archiv des Hilfskomitees Aquila in Steinhagen, das aber keine öffentlich zugänglichen Findbücher zu dessen Archiv präsentiert. Es ist davon auszugehen, dass in beiden Institutionen viele wertvolle Stücke (v.a. allem „graue Literatur“) liegen. Darüber hinaus gibt es Einzelpersonen und Initiativen, die privat umfangreiche Sammlungen erstellt haben, wie z.B. die digitale Sammlung der Website „Chortiza“.
Unabhängig davon, wie systematisch in dieser Hinsicht hier und da bereits gesammelt wird, fällt doch eine inhaltliche Leerstelle auf, die sich auf die Sicherung des Schriftgutes der konfessionellen Verbände und Gemeinden bezieht. Das lässt sich z.T. sicher mit dem kulturell-theologischen Hintergrund der betroffenen Gruppierungen erläutern; gerade russlanddeutsche Verbünde und Kirchengemeinden sind (nicht immer zu Unrecht) eher skeptisch, was die Öffnung „ihrer“ Dokumente etc. für die Öffentlichkeit betrifft (das geht über Archivalien hinaus und ist vmtl. eine grundsätzliche Sache). Wie in jedem anderen Bereich ist sicherlich (v.a. bei Entscheidungsträgern) die Notwendigkeit der Sammlung von Dokumenten hinsichtlich der eigenen Geschichte nur selten oben auf der Prioritätenliste anzutreffen. Und möglicherweise fehlt es auch einfach an Initiativen, die sich dieser Aufgabe annehmen.
Um diesem Missstand und dem drohenden Verlust der einschlägigen Quellen vorzubeugen, möchte ich im Bereich der konfessionellen Gemeindeverbände und Bruderschaften anbieten, die in Frage kommenden Archivalien zu sichten, zu erschließen, aufzubewahren und zugänglich zu machen. Dazu gehören in erster Linie die in den letzten Jahrzehnten herausgegebenen Zeitschriften, Missionsblätter, usw. (also v.a. die „öffentlichen“ Schriftstücke) der entsprechenden Gruppen. Bereits vorliegend ist die Zeitschrift „Dem Lamme nach“ der „Bruderschaft der Christengemeinden in Deutschland“ (BCD) bis zum Jahr 2020. Auf lange Sicht wäre es natürlich hilfreich, auch die eher „internen“ Dokumente (wie Protokolle usw.) zu archivieren, in jedem Fall unter Berücksichtigung der in Deutschland gängigen Benutzungsschutzfristen der Archive. Momentan suche ich aber vor allem das Schriftgut der zuerst genannten „Gruppe“.
Wenn also jemand ein Anliegen hat, die Geschichte der russlanddeutschen Gemeinden, Verbünde und Bruderschaften zu sichern und vielleicht noch Zeitschriften und weiteres Material dazu besitzt und es zu diesem Zweck abgeben könnte, würde ich mich über eine Rückmeldung sehr freuen, wo die weiteren Modalitäten besprochen werden können. Zu erreichen bin ich per E-Mail. Auch bei allen sonstigen Fragen zu diesem Projekt kann man mich hierrüber erreichen.
2 Antworten auf „Schriftstücke gesucht“
Hast du eigentlich auch mal was bekommen?
Gab es eine Rückmeldung oder eine Entwicklung dazu?
Hallo Sergej,
tatsächlich habe ich nicht eine einzige Rückmeldung bekommen, was unter Umständen aber auch einfach daran liegt, dass über die genutzten Verbreitungskanäle nur wenige Menschen erreicht werden, die dem Unterfangen weiterhelfen könnten.
Außerdem ist es außerordentlich schwierig, im russlanddeutsch-konservativen Spektrum jemanden dazu zu bewegen, „eigene“ Unterlagen etc. abzugeben – zu sehr verbindet man damit den Gedanken, die Deutungshoheit über die eigene Geschichte zu verlieren. Ein Stück weit kann ich das sogar nachvollziehen; trotzdem ist es letztlich natürlich schade!