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Steve Turner: „Creed“

Der englische Journalist Steve Turner, den ich durch seine ausgezeichnete Johnny Cash-Biografie Ein Mann namens Cash: Die autorisierte Biografie kennengelernt habe, trifft mit seinem satirischen Gedicht „Creed“ über die heutige Denkweise den Nagel auf dem Kopf:

Wir glauben an Marxfreudunddarwin. Wir glauben, alles ist OK, solange du keinem wehtust, nach bestem Wissen über deine Definition von wehtun, überhaupt nach deinem besten Wissen. Wir glauben an Sex vor, während und nach der Ehe. Wir glauben an die Therapie der Sünde. Wir glauben, Ehebruch macht Spaß. Wir glauben, Sodomie ist OK. Wir glauben, Tabus sind tabu. Wir glauben, alles wird besser, trotz der Beweise des Gegenteils. Der Beweis muss erforscht werden und alles lässt sich durch Beweise belegen. Wir glauben, es ist etwas dran an Horoskopen, UFOs und verbogenen Löffeln; Jesus war ein guter Mensch, genau wie Buddha, Mohammed und wir selber. Er war ein guter Moralprediger, wenngleich wir meinen, dass seine guten Sitten schlecht waren. Wir glauben, alle Religionen sind im Grunde gleich – Zumindest war es die, die wir deuten. Sie glauben alle an Liebe und Güte. Sie unterscheiden sich bloß in so Sachen wie Schöpfung, Sünde, Himmel, Hölle, Gott und Erlösung. Wir glauben, nach dem Tod kommt das Nichts, denn wenn du die Toten fragst, was passiert, sagen sie nichts. Wenn der Tod nicht das Ende ist, wenn die Toten gelogen haben, dann ist der Himmel für alle verbindlich, vielleicht mit Ausnahme von Hitler, Stalin und Dschingis Khan. Wir glauben an Masters und Johnson. Was erlesen ist, ist Durchschnitt. Was Durchschnitt ist, ist normal. Was normal ist, ist gut. Wir glauben an die vollständige Abrüstung. Wir glauben, es gibt keine direkte Verbindung zwischen Kriegsführung und Blutvergießen. Die Amerikaner sollten ihre Waffen zu Traktoren schmieden und die Russen würden es ihnen gewiss nachtun. Wir glauben, der Mensch ist im Grunde gut. Nur sein Verhalten, das lässt ihn im Stich. Daran ist die Gesellschaft schuld. An der Gesellschaft sind die Bedingungen schuld. An den Bedingungen ist die Gesellschaft schuld. Wir glauben, jeder Mensch muss die Wahrheit finden, die für ihn richtig ist. Die Realität wird sich entsprechend anpassen. Das Universum wird sich wieder anpassen. Die Geschichte wird sich verändern. Wir glauben, es gibt keine absolute Wahrheit, bis auf die Wahrheit, dass es keine absolute Wahrheit gibt. Wir glauben an die Ablehnung von Glaubensbekenntnissen und die Entfaltung individuellen Denkens.

Das Postskriptum „Chance“ lautet wie folgt:

Wenn der Zufall der Vater allen Fleisches ist, ist Unheil sein Regenbogen am Himmel, und wenn du hörst Notstand! Heckenschütze tötet zehn Menschen! Truppen wüten! Weiße plündern Läden! Bomben jagen Schulen in die Luft! Ist das nur der Klang des Menschen, der seinen Schöpfer anbetet.

Aus: Kann man ohne Gott Leben, Ravi Zacharias

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