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Donald Trump und „christliche“ Politik

Donald Trumps Entscheidung Jerusalem als Hauptstadt Israels anzuerkennen, hat große Debatten ausgelöst. Ich möchte mich an dieser Stelle nicht zu Trumps Entscheidung positionieren (man kann politisch dafür oder auch dagegen argumentieren), sondern auf einen Artikel der FAZ aufmerksam machen, in dem Andreas Ross das Verhalten der amerikanischen Evangelikalen analysiert. Gerade die von dem Dispensationalismus geprägten amerikanischen Christen haben Trumps Entscheidung freudig begrüßt:

Pastor John Hagee geizte nicht mit Lob, nachdem Donald Trump am Mittwoch mit Jahrzehnten amerikanischer Nahost-Politik gebrochen und Jerusalem als Hauptstadt Israels anerkannt hatte. Es galt dem Präsidenten, aber auch seiner eigenen Arbeit. Als Vorsitzender der „Vereinigten Christen für Israel“ (CUFI) habe er Trump und Vizepräsident Mike Pence persönlich „während mehrerer Audienzen im Weißen Haus“ zu dem Schritt gedrängt, teilte der Gründer einer evangelikalen Megakirche in der texanischen Stadt San Antonio mit. Außerdem erinnerte Hagee daran, dass 260 führende CUFI-Mitglieder aus 49 Bundesstaaten schon im Januar ein „Fly-in“ in Washington organisiert hätten, um im Kongress und bei der neuen Trump-Regierung für den Umzug der amerikanischen Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem zu werben.

Wie gesagt: natürlich kann man Trumps Entscheidung aus politischen Gründen befürworten, allerdings lässt mich der triumphalistische Ansatz, mit dem Evanglikale unter Donald Trump versuchen, ihre Ziele zu erreichen, mit einem unguten Gefühl zurück. Vor einigen Tagen hat Franklin Graham getwittert, dass es in seinem Leben keinen Präsidenten gegeben habe, der sich so stark für christliche Werte eingesetzt hat (ich frage mich, ob Billy Graham diesen Ansatz gut heißen würde) und Robert Jeffress, der Trump schon während des Wahlkampfs offen unterstützt hat, hat seinen Chor sogar ein Lied mit dem Refrain „Make America Great Again“ einüben lassen. Wenn Trump der Präsident der Evangelikalen ist, dann ist es um evangelikale Politik traurig bestellt – genau das hat übrigens William S. Brewbaker III, selbst gläubiger Juraprofessor an der University of Alabama, im Zusammenhang mit Roy Moore in diesem Artikel für die New York Times festgestellt. Manchmal scheint es, als seien manche Evangelikale zu allererst (rechte) Republikaner und dann auch irgenwie evangelikal und christlich (was immer das heißen mag). Damit sage ich nicht, dass diese Leute bei den Demokraten besser aufgehoben wären. Es geht mir auch hier weniger um republikanische Politik, sondern vielmehr darum, dass in diesen Zusammenhängen viel als „christlich“ oder „christliche Politik“ durchgeht, was aber nicht wirklich christlich ist und viele Vorurteile gegenüber das Christentum (berechtigt?) fördert. Ross beobachtet beispielsweise:

Freilich lesen selbst im „Bibelgürtel“ die meisten Leute nicht täglich in der Heiligen Schrift. Dafür verkaufen sich die Romane der Serie „Left Behind“ – im Deutschen „Finale“ – besonders gut. Die Autoren Tim LaHaye und Jerry Jenkins haben 16 Bände verfasst. Sie verbreiten im Volk evangelikale Endzeiterwartungen. Der Plot beginnt in einem Verkehrsflugzeug, aus dem mitten im Flug Dutzende Menschen verschwinden. Es sind gläubige Christen, die in den Himmel entrücken – das ersehnte Ende der Welt ist gekommen. Doch der Antichrist macht sich immer mehr Erdenbürger untertan. Alles läuft auf die vom Evangelisten Johannes verheißene Schlacht um Harmagedon zu: Der Antichrist befehligt alle Armeen der Welt zur Attacke auf die letzten verbliebenen Christen und Juden, die sich in Israel versammelt haben. Da greift Christus ein und zerstört die Invasionsarmee. Es gibt Videospiele und Filme zu der Serie, unter anderem mit dem populären Schauspieler Nicholas Cage. Viele Religionsführer lehnen die Deutung und/oder die Trivialisierung des Stoffs ab. Jerry Falwell aber sagte über den ersten Band: „Abgesehen von der Bibel hat wohl kein Buch der Neuzeit größeren Einfluss auf das Christentum ausgeübt.“

Es scheint also, dass viele theologische Positionen nicht aufgrund von Bibelstudien gewonnen werden, sondern aufgrund von christlichen Romanen und Filmen. Wenn dann diese „christlichen“ Positionen in unreflektierte politische Bewegungen übersetzt werden, ohne dass man sich wirklich mit der Sachlage auseinandergesetzt hat, dann kann das nicht gut sein und tut auch dem Christentum keinen Gefallen (ich selbst stehe den dispensationalistischen Endzeiterwartungen aus theologischen Gründen übrigens sehr kritisch gegenüber, genau wie viele Evangelikale in den USA, die sich stärker mit der reformierten Tradition identifizieren). Ich möchte mit diesem Artikel nicht sagen, dass christliche Prinzipien in der Politik keine Anwendung finden sollten. Das sollten sie auf jeden Fall. Tiefgehend reflektierte, theologisch durchdrungene und durchdachte, christliche Prinzipien sollten Anwendung finden (jeder Politiker gründet seine Entscheidungen auf moralische Prinzipien, die ja irgendwo ihre Grundlage haben müssen). Ich fürchte allerdings, dass christliche Politik zu oft eben nicht reflektiert, theologisch durchdrungen und durchdacht ist.

Hier geht es dem Artikel von Andreas Ross in der FAZ: „Ein Schritt zum Tausenjährigen Reich Gottes“.

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