Kategorien
Bibel & Theologie

„Nicht durch Macht und nicht durch Kraft, sondern durch meinen Geist, spricht der HERR der Heerscharen“ – die Gemeinde im Propheten Sacharja

Es gibt alttestamentliche Verse, die viele Christen auswendig kennen, die man vielleicht als Ermutigung weitergibt, ohne sich genauer mit dem Kontext und dem alttestamentlichen Buch selbst auseinandergesetzt zu haben. Der zweite Teil von Sacharja 4,6 gehört, glaube ich, zu diesen Versen:

„Nicht durch Macht und nicht durch Kraft, sondern durch meinen Geist, spricht der HERR der Heerscharen“.

Diesen Ausspruch kann man anderen Christen, die in Schwierigkeiten stecken, schnell als Aufmunterung mit auf den Weg geben: „Es geht nicht um deine Stärke, Gottes Geist wird das schon machen“. Doch geht es in diesem Vers tatsächlich (nur) darum? Eine genauere Untersuchung kann uns zeigen, was für ein Reichtum in diesem Ausspruch Gottes tatsächlich steckt – es geht nämlich um nichts weniger als um die Gemeinde. Das geht uns auf, wenn wir Sacharja vom Neuen Testament mit Christus als Schlüssel zum Verständnis des Alten Testaments her lesen.

Es ist schon etwas länger her, dass wir mit einigen Jugendlichen den Propheten Sacharja auf Christus hin untersucht haben, wobei uns einige sehr interessante Dinge aufgegangen sind. Zunächst muss gesagt werden, dass Sacharja, der genau wie Haggai zur Zeit des nachexilischen Tempelbaus gewirkt hat, sein Buch mit acht Nachtgesichtern eröffnet, wobei die beiden zentralen – das vierte und fünfte – den Höhepunkt bilden. Im vierten Nachtgesicht (Kap. 3) sieht Sacharja den Hohepriester Joschua (der Name sollte neutestamentlich Leser schon an einen anderen Joschua erinnern) vor dem Engel des Herrn stehen. Allerdings hat Joschua unreine Kleider an und tatsächlich steht auch der Satan da, um ihn anzuklagen. Dieses Problem wird allerdings vom Engel des Herrn selbst gelöst, denn er erteilt den Befehl, Joschua reine Kleider anzulegen und spricht ihm die Vergebung der Sünden zu. Dann wird Joschua zugesagt, dass wenn er seinen Priesterdienst eifrig verrichten wird, er über das Haus des Herrn regieren wird. Dann folgt in den Versen 8-10 eine großartige Verheißung:

8 Höre doch, Joschua, du, der Hohepriester, du und deine Gefährten, die vor dir sitzen – denn Männer des Wunders sind sie! Ja, siehe, ich will meinen Knecht, Spross genannt, kommen lassen.

9 Denn siehe, der Stein, den ich vor Joschua gelegt habe – auf einem Stein sieben Augen -, siehe, ich will seine Gravur eingravieren, spricht der HERR der Heerscharen, und will die Schuld dieses Landes entfernen an einem Tag.

10 An jenem Tag, spricht der HERR der Heerscharen, werdet ihr einer den anderen einladen unter den Weinstock und unter den Feigenbaum.

Der Hohepriester Joschua, das machen diese Verse deutlich, ist ein „Mann des Wunders“ oder auch „Mann des Zeichens“, er ist also nur ein Vorläufer des Knechtes Gottes, der auch „Spross“ genannt wird und durch den die Sünden des Volkes an einem Tag entfernt werden.

Während es im vierten Nachtgesicht um das geistliche Oberhaupt des Volkes geht (den Hohepriester Joschua), richtet sich das fünfte Nachgesicht (Kap. 4) an die politische Führung des Volkes – den Statthalter Serubbabel. Dieser sieht zunächst einen goldenen Leuchter und zwei goldene Ölbäume. Dann ergeht in Vers 6 an Serubbabel der eingangs erwähnte Zuspruch Gottes, dass der Geist Gottes es vollbringen wird. Die folgenden Verse 7-10 dürfen aber dabei nicht vernachlässigt werden:

7 Wer bist du, großer Berg? Vor Serubbabel werde zur Ebene! Und er wird den Schlussstein herausbringen unter lautem Zuruf: Gnade, Gnade für ihn!

8 Und das Wort des HERRN geschah zu mir:

9 Die Hände Serubbabels haben die Grundmauern dieses Hauses gelegt, und seine Hände werden es vollenden. Und du wirst erkennen, dass der HERR der Heerscharen mich zu euch gesandt hat.

10 Denn wer hat den Tag kleiner Dinge verachtet? Und sie werden sich freuen und den Stein des Senkbleis in der Hand Serubbabels sehen. Diese sieben sind die Augen des HERRN, sie schweifen auf der ganzen Erde umher.

Die folgenden Verse machen deutlich, worum es Gott in seinem Zuspruch geht: Was soll nicht durch Macht oder Kraft, sondern durch den Geist Gottes vollendet werden? Das Haus Gottes, wie Vers 9 deutlich macht. Bedenkt man, dass Sacharja, wie auch Haggai, zur Zeit des Tempelbaus schreibt, ergibt sich diese Deutung quasi von selbst. Tatsächlich muss man in der Bibel nur kurz zum Propheten Haggai zurückblättern um festzustellen, dass es der Geist des Herrn ist, der das Volk erweckt und zum Tempelbau bewegt (1,14). Es ist also der Geist des Herrn, der das Haus Gottes, den Tempel Gottes (historisch) gebaut hat.

Die Sache wird allerdings etwas komplizierter, wenn wir unsere christologische Untersuchung fortsetzen. Nach den acht Nachtgesichtern greift Sacharja in Kap. 6,12-15 den im vierten Nachtgesicht bereits erwähnten Spross auf:

12 Und sage ihm: So spricht der HERR der Heerscharen: Siehe, ein Mann, Spross ist sein Name! Und es wird unter ihm sprossen, und er wird den Tempel des HERRN bauen.

13 Ja, er wird den Tempel des HERRN bauen, und er wird Hoheit tragen und wird auf seinem Thron sitzen und herrschen. Auch wird ein Priester auf seinem Thron sein; und der Rat des Friedens wird zwischen ihnen beiden sein.

14 Und die Krone soll dem Heldai, dem Tobija und Jedaja und der Gnade des Sohnes Zefanjas im Tempel des HERRN zur Erinnerung sein.

15 Und Ferne werden kommen und am Tempel des HERRN bauen. Und ihr werdet erkennen, dass der HERR der Heerscharen mich zu euch gesandt hat. Und das wird geschehen, wenn ihr aufmerksam auf die Stimme des HERRN, eures Gottes, hören werdet.

In diesen Versen macht Sacharja klar, dass es gar nicht Joschua und Serubbabel sind, die den Tempel des Herrn bauen, sondern dass der bereits erwähnte Knecht des Herrn, der Spross, den Tempel (in der Zukunft) bauen wird. Außerdem wird der Spross Priester auf dem Thron sein, d.h. er wird das politische Königsamt (für das Serubbabel als Statthalter steht) und das geistliche Priesteramt (für das Joschua als Hohepriester steht) in seiner Person zusammenführen. Welchen Tempel aber baut der Spross, wenn der nachexilische Tempel unter der Leitung von Joschua und Serubbabel gebaut wurde?

Im Johannesevangelium wird Jesus – der ja, wie das Neue Testament bezeugt, der Knecht Gottes, der angekündigte Spross, ist – von seinen Jüngern gefragt, in welcher Autorität er den Tempel reinigen darf, worauf Jesus antwortet: „Brecht diesen Tempel ab, und in drei Tagen werde ich ihn aufrichten“ (2,19). Johannes erklärt weiterhin, dass den Jüngern nach der Auferstehung klar wurde, dass er vom Tempel seines Leibes gesprochen hat. Der Spross baut also tatsächlich einen Tempel, aber nicht den alttestamentlichen, sondern einen viel besseren und auch viel Größeren. Der Tempel war der Ort der Gegenwart Gottes, in Christus ist Gott dann als Mensch gegenwärtig geworden und baut, nachdem Christus die Erlösung vollbracht hat, einen geistlichen Tempel. Paulus erklärt das in Epheser 2,19-22:

19 So seid ihr nun nicht mehr Fremde und Nichtbürger, sondern ihr seid Mitbürger der Heiligen und Gottes Hausgenossen.

20 Ihr seid aufgebaut auf der Grundlage der Apostel und Propheten, wobei Christus Jesus selbst Eckstein ist.

21 In ihm zusammengefügt, wächst der ganze Bau zu einem heiligen Tempel im Herrn,

22 und in ihm werdet auch ihr mit aufgebaut zu einer Behausung Gottes im Geist.

Auch Petrus erläutert dieses in 1. Petrus 2,4-10 (man beachte auch, dass Petrus von einem „königlichen Priesterrum“ spricht und dass diese „Amtsvereinigung“ auch von Sacharja prophezeit wurde):

4 Zu ihm kommend als zu einem lebendigen Stein, von Menschen zwar verworfen, bei Gott aber auserwählt, kostbar,

5 lasst euch auch selbst als lebendige Steine aufbauen, als ein geistliches Haus, ein heiliges Priestertum, um geistliche Schlachtopfer darzubringen, Gott hochwillkommen durch Jesus Christus!

6 Denn es ist in der Schrift enthalten: „Siehe, ich lege in Zion einen auserwählten, kostbaren Eckstein; und wer an ihn glaubt, wird nicht zuschanden werden.“

7 Euch nun, die ihr glaubt, bedeutet er die Kostbarkeit; für die Ungläubigen aber gilt: „Der Stein, den die Bauleute verworfen haben, dieser ist zum Eckstein geworden“,

8 und: „ein Stein des Anstoßes und ein Fels des Ärgernisses“. Da sie nicht gehorsam sind, stoßen sie sich an dem Wort, wozu sie auch bestimmt worden sind.

9 Ihr aber seid ein auserwähltes Geschlecht, ein königliches Priestertum, eine heilige Nation, ein Volk zum Besitztum, damit ihr die Tugenden dessen verkündigt, der euch aus der Finsternis zu seinem wunderbaren Licht berufen hat;

10 die ihr einst „nicht ein Volk“ wart, jetzt aber ein Volk Gottes seid; die ihr „nicht Barmherzigkeit empfangen hattet“, jetzt aber Barmherzigkeit empfangen habt.

In Jesus Christus wird ein geistlicher Tempel gebaut, der größer ist als alle bisherigen Tempel. Die Gemeinde selbst ist der Tempel Gottes. Die Gemeinde ist der Ort, an dem Gottes Gegenwart wohnt. Johannes erklärt in seinem Evangelium, dass die Jünger begriffen, dass Jesus von dem Tempel seines Leibes gesprochen hat. Was ist die Gemeinde? Richtig, der Leib Christi, der Tempel, den Jesus Christus, Gottes Knecht und Spross, gebaut hat und baut.

Wie aber wird heute ganz konkret die Gemeinde gebaut? An Pfingsten haben wir die Ausgießung des Heiligen Geistes gefeiert – man spricht auch vom „Geburtstag“ der Gemeinde. Ist es überraschend, dass Jesus seinen Tempel auf diese Art und Weise baut? Eigentlich nicht, denn schließlich hat es uns Sacharja ja schon verraten

„Nicht durch Macht und nicht durch Kraft, sondern durch meinen Geist, spricht der HERR der Heerscharen“.

Kommentar verfassen