John Bunyan ist vor allem für seine Pilgerreise bekannt, in der er allegorisch das christliche Leben nacherzählt (und die ich hier rezensiert habe). In seinem Buch Der heilige Krieg (hier als pdf verfügbar) beschreibt er die menschliche Seele als Stadt, die von Satan übernommen wurde und nun von Gott zurückerobert wird. Hier ist Bunyans Beschreibung der ersten Truppen, die von Schaddai losgeschickt werden:
Nachdem ein jeder Befehlshaber seinen Befehl aus der Hand des Königs empfangen hatte, auch der allgemeine Sammelplatz bestimmt war, erschien ein jeder in solchem Waffenschmuck und Glanz, wie es mit der hohen Bedeutung seines Amtes und seiner Berufung im Einklang stand. Schaddai gab ihnen noch ein besonderes Abschiedsmahl, und mit fliegenden Fahnen setzten sie sich in Marsch gegen die berühmte Stadt Menschen-Seele. Feldhauptmann Boanerges oder Erschütterung führte den Vortrab, die Hauptleute Überzeugung und Gericht die Mitte und Hauptmann Ausführung den Nachtrab. Da sie aber einen sehr weiten Weg zurückzulegen hatten (denn die Stadt Menschen-Seele lag sehr fern vom Hof Schaddais, Eph. 2, 13), so marschierten sie natürlich durch viele Gegenden und Länder der verschiedensten Völker; und niemand taten sie das geringste Leid, überallhin brachten sie vielmehr Segen. Sie lebten zudem auf ihrem ganzen Weg nur auf ihres Königs Kosten. Nachdem sie manche Tagereise zurückgelegt hatten, erblickten sie endlich die Stadt Menschen-Seele. Und die Hauptleute vermochten eine ganze Weile lang nichts anderes zu tun, als aus tiefstem Schmerz ihres Herzens den traurigen Zustand der Stadt zu beweinen. Denn sie gewahrten nur zu bald, wie sie dem Willen des Diabolus vollkommen unterworfen war. Dann aber führten sie ihre Krieger sogleich gegen das Ohrtor (denn das war der Ort, wo man allein unterhandeln konnte) und schlugen da ein Lager auf. Und nachdem sie ihre Zelte aufgebaut und Laufgräben ausgehoben hatten, schickten sie sich zum Angriff an.
Interessant finde ich dabei folgendes Zusammenspiel: Es wird zunächst deutlich, dass wir es hier mit einer Armee zu tun haben, mit der man besser nicht spaßt; alle erscheinen in vollem „Waffenschmuck und Glanz“, sie marschieren mit „fliegenden Fahnen“, hier ist Schaddais Armee, voll ausgerüstet, unterwegs mit Macht und Streitgewalt. Doch wie reagiert diese große Streitkraft auf den Anblick der Stadt? Die gewaltigen Hauptleute können nichts anderes tun, „als aus tiefstem Schmerz ihres Herzens den traurigen Zustand der Stadt zu beweinen“. Danach wenden sie sich an das Ohrtor, um Shaddais Botschaft weiterzugeben.
Übersetzen wir diesen Vorgang in theologische Sprache, sehen wir einen Verkündiger des Wortes Gottes, der sich mit der biblischen Botschaft an seine Mitmenschen wendet (Ohrtor), sich der Autorität, Kraft, Macht und Gewalt dieser Botschaft bewusst ist (Wahrheit), diese aber nicht autoritär und von oben herab seinen Zuhörern unbarmherzig vorsetzt, sondern von deren Nöten und Sünden tief gerührt ist und mit einem gebrochenen Herzen Jesus Christus verkündigt (Gnade). Solche Verkündiger brauchen wir (und sollten wir werden).