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Leben als Christ

Bevor man sich zum Kampf bereit erklärt

Es ist kein Geheimnis, dass es auch unter Christen Meinungsverschiedenheiten gibt. Manche davon betreffen Nebensächlichkeiten und andere ganz zentrale Themen. Wie sollten wir Christen damit umgehen? Wie begegnen wir zum Beispiel anderen Christen, die in wesentlichen Punkten in der Heilslehre ein anderes Verständnis haben als wir?

Sollte man für seine Überzeugungen einstehen und den anderen herausfordern? Mit ihm Debatten führen? Oder sollte man der Harmonie wegen die Unterschiedlichkeiten nicht ansprechen? Unser Umgang hängt sicher auch mit der Gewichtung der Frage zusammen. Hier geht es um Meinungsverschiedenheiten von größerer Bedeutung. 

Bevor man an das Argumentieren und Debattieren denkt, sollte man vielleicht zuerst über das Zuhören und Verstehen nachdenken. Debatten und Argumente können angebracht sein, aber ich glaube, dass wir viel zu oft jemanden in eine Schublade stecken oder ihm ein Etikett geben, ohne ihm zugehört zu haben. Dass man vielleicht zu schnell „in den Kampf zieht“.

Im Folgenden möchte ich einen Ausschnitt aus einem Gespräch zwischen Charles Simeon und John Wesley wiedergeben, das ich für ein gutes Beispiel für einen respektvollen und demütigen Umgang mit Christen anderer Auffassungen halte. Die Gesprächspartner gehörten, was die Heilslehre betrifft, zwei unterschiedlichen Lagern an. Man könnte erwarten, dass sie hitzig debattieren oder kämpfen. Doch stattdessen reden sie miteinander und kommen zu dem Schluss, den Kampf gar nicht zu beginnen.

[Charles Simeon:]“Sir, ich verstehe, dass Sie als Arminianer bezeichnet werden; und ich wurde gelegentlich Calvinist genannt; und deshalb, nehme ich an, sollten wir miteinander auf Kriegsfuß stehen. Doch bevor ich mich zum Kampf bereit erkläre, möchte ich Ihnen mit Ihrer Erlaubnis einige Fragen stellen … Bitte Sir, fühlen Sie sich als verdorbenes Geschöpf, so verdorben, dass Sie nie daran gedacht hätten, sich Gott zuzuwenden, wenn er es Ihnen nicht zuvor in Herz gelegt hätte?“

„Ja“, sagt [John Wesley], „das tue ich in der Tat.“

„Und haben Sie jegliche Hoffnung verworfen, dass Sie sich vor Gott mit Ihren Taten empfehlen können; und blicken Sie für Ihr Heil einzig und allein auf Christi Blut und Gerechtigkeit?“

„Ja, ausschließlich auf Christus.“

„Aber Sir, nehmen wir an, Sie wurden zwar anfänglich von Christus errettet, versuchen Sie sich jetzt nicht auf die eine oder andere Weise durch eigene Werke selbst zu retten?“

„Nein, ich muss von Anfang bis Ende von Christus errettet werden.“

„Erlauben Sie es dann, der Sie zuerst durch Gottes Gnade verwandelt wurden, sich nun irgendwie durch eigene Kraft im Glauben zu halten?“

„Nein.“

„Werden Sie also jede Stunde und jeden Augenblick von Gott getragen wie ein Säugling in den Armen seiner Mutter?“

„Ja, ganz und gar.“

„Und ruht Ihre ganze Hoffnung, in sein Himmelreich zu gelangen, auf der Gnade Gottes?“

„Ja, außer ihm habe ich keine Hoffnung.“

„Dann, Sir, werde ich mit Ihrer Erlaubnis den Kampf nicht aufnehmen, denn dies alles ist mein Calvinismus. Es ist meine Erwählung, meine Rechtfertigung durch Glauben, mein Beharren bis zum Ende: Es ist im Kern alles, woran ich festhalte und wie ich es tue. Und deshalb, wenn ich bitten darf, werden wir uns freundlich in den Dingen zusammenschließen, in denen wir übereinstimmen, statt Begriffe aufzuspüren, die Grund zum Streit zwischen uns sind.“

Zitiert nach „Die Lehren der Gnade“, von James M. Boice S. 37f

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