Gestern habe ich (hier) über Jesu Gleichnis von dem Reichen Mann und dem Armen Lazarus (Lk. 16,27-31) und der darin enthaltenen „alttestamentliche Apologetik“ Abrahams nachgedacht. Beweise, das ist deutlich geworden, können Glauben nicht wecken. Stattdessen hat uns Abraham auf Mose und die Propheten hingewiesen: dort beginnt der Glaube, dort offenbart sich Gott.
Den Wunsch des Reichen, Lazarus als „Beweis“ aus den Toten zurückzuschicken, hat Abraham abgelehnt. Lesen wir das Lukasevangelium aber weiter, stoßen wir tatsächlich auf den „ultimativen Beweis“: auf den wirklich auferstandenen Jesus Christus, der aus den Toten zurückgekehrt ist und die Jünger von Emmaus begleitet (Lk.24,13-35). Das spannende dabei ist, dass die Jünger (denen sich Jesus noch nicht zu erkennen gegeben hat) tatsächlich über das leere Grab, die Erscheinung der Engel und die Auferstehungsbotschaft reden und diskutieren – allerdings unter einem ganz bestimmten Vorzeichen: dem der Verwirrung (Lk. 24,22-23). Das leere Grab hat nicht alle ihre Fragen beantwortet; tatsächlich klingen die beiden etwas ungläubig: Die merkwürdigen Dinge, die da geschehen sind, scheinen ihnen nicht ganz geheuer zu sein.
Wir reagiert nun Jesus? Zeigt er sich ihnen unverzüglich? Möchte er mit dem „Beweis“ seiner Gegenwart in seinem auferstandenen Leib die letzten Zweifel zerstreuen und Klarheit in die ganze Sache bringen? Nein, das tut Jesus alles nicht! Stattdessen „sprach [er] zu ihnen: O ihr Unverständigen, wie ist doch euer Herz träge, zu glauben an alles, was die Propheten geredet haben!“ (Lk. 24,25). Jesus verweist die beiden – wie auch Abraham in seinem Gleichnis – an die Propheten, an das Alte Testament. Für den „Beweis“ sind die Emmaus-Jünger noch gar nicht bereit. Denn was macht Jesus im nächsten Schritt? „Und er begann bei Mose und bei allen Propheten und legte ihnen in allen Schriften aus, was sich auf ihn bezieht“ (Lk. 24,27). Nachdem die Grundlage durch das Alte Testament gelegt ist, gibt sich Jesus zu erkennen – und dann macht plötzlich alles Sinn.
Dasselbe Muster finden wir bei dem „ungläubigen Thomas“ (Joh. 20,24-29). Thomas verlangt nach einem Beweis: Er möchte die Nägelmale sehen und berühren. Jesus gewährt ihm diesen Wunsch, weist ihn aber auch darauf hin, dass diejenigen selig sind, die nicht sehen und doch glauben. Das darf, wie gestern deutlich gemacht, nicht als Glauben auf Kosten des Denkens ausgelegt werden. Vielmehr macht Jesus deutlich, dass die Offenbarung Gottes im Alten Testament einen viel sichereren Grund bietet, als unsere Sinne, mit denen wir sehen und tasten. Es geht um den Offenbarungskontext Gottes, den Thomas vernachlässigt hat.
Jesus ermutigt uns – sowohl in seinem Gleichnis als auch in seiner Begegnung mit den Emmaus-Jüngern und mit Thomas – das Alte Testament ernst zu nehmen, es zu lesen, nicht träge zu sein, dem zu glauben – und vor allem zu lieben. Wir brauchen das AlteTestament, weil es Gottes Offenbarung ist, uns auf Jesus vorbereitet und weil es Glauben weckt.