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Bibel & Theologie

Das Zelt der Begegnung

Wenn wir vor mehr als dreitausend Jahren im Nahen Osten unterwegs wären, dann könnte es sein, dass wir mitten in der Wüste auf ein Zeltlager eines riesigen Volkes treffen würden. Wenn wir von außen an dieses Lager treten könnten, so würden wir zunächst auf die „Fremdlinge“ stoßen, dann auf die Stämme Israels und im Zentrum dieser zirkel-ähnlichen Anordnung würden wir auf das Heiligtum Gottes stoßen. Ein besonderes Zelt, das von allen anderen Zelten zu unterscheiden war. Dieses Heiligtum war das Zelt der Begegnung (oder Stiftshütte, wie Martin Luther übersetzte).[1] Hier konnten die Israeliten dem heiligen Gott begegnen. Dieses Zelt war nach den Anordnungen Gottes gebaut worden. Als Vorbild diente der himmlische Wohnort Gottes, denn die Stiftshütte sollte der Wohnort Gottes auf der Erde sein (2Mo 25,8).

Die Stiftshütte erinnert an den Garten Eden. Sie wurde zum Beispiel immer so aufgestellt, dass der Eingang in Richtung Osten zeigte. Nach dem Sündenfall und als Adam und Eva den Garten verlassen mussten, flohen auch sie in östliche Richtung. Und so wie der Eingang des Gartens nach der Flucht von Seraphim bewacht wurde, die den Zugang zum Baum des Lebens verhinderten, sah man auch beim Eintreten in die Stiftshütte die auf den Vorhängen aufgestickten Seraphim.

Obwohl Gott damals unter seinem Volk wohnte und gegenwärtig war, konnten die Israeliten Gott nicht unmittelbar begegnen oder ihn sehen. Selbst Mose, mit dem Gott persönlich redete, konnte Gott nicht direkt sehen. Würde er unmittelbar bei dem Volk wohnen, müsste er es vernichten (vgl. 2Mo 33,5). Die Sündhaftigkeit der Menschen stand dazwischen und machte ein Zusammentreffen mit dem heiligen Gott unmöglich.

Wie konnte man Gott also begegnen? Durch einen Vermittler, den Hohepriester. Und nur aufgrund stellvertretender Opfer. Diese konnten als Wohlgeruch für Gott gebracht werden oder als Wiedergutmachung (darüber habe ich hier bereits etwas geschrieben). Der Alltag an der Stiftshütte war demnach geprägt von einem ständigem Opferdienst. Die Sündopfer fanden kein Ende. Die Hohepriester hatten nie Feierabend und konnten nie in den Ruhestand gehen, denn die Notwendigkeit der Opfer blieb bestehen. Sie waren oftmals nur eine Erinnerung an die Sündhaftigkeit des Volkes. Nur ein Opfer hat endgültigen und vollendenden Charakter – das stellvertretende Opfer Jesu. In diesem Licht sollten wir folgende Bibelstellen lesen:

Da nun Jesus den Essig genommen hatte, sprach er: Es ist vollbracht. Und neigte das Haupt und verschied.

Johannes 19,30 (Luther 2017)

Und jeder Priester steht Tag für Tag da und versieht seinen Dienst und bringt oftmals die gleichen Opfer dar, die doch niemals die Sünden wegnehmen können. Dieser aber hat ein einziges Opfer für die Sünden dargebracht, das ewiglich gilt, und hat sich zur Rechten Gottes gesetzt und wartet hinfort, bis seine Feinde zum Schemel unter seine Füße gelegt werden. Denn mit einem einzigen Opfer hat er für immer die vollendet, die geheiligt werden.

Hebräer 10,12-14 (Luther 2017)

[1] Zur Namensgebung vergl. Exodus 33,7 (LU): Mose aber nahm das Zelt (ein Begriff: Zelt) und schlug es draußen auf, fern von dem Lager und nannte es Stiftshütte (zwei Begriffe: Zelt der Begegnung oder Versammlung, aber auch Wohnort).

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