In den meisten Gemeinden, zu denen ich bisher Kontakt hatte, hört man in der Jugendzeit häufig Themen, die mit der Ehe zusammenhängen. Zuerst geht es dabei um die „Partnerwahl“. Freilich beschränken sich die Themen meistens nicht nur auf die Partnerwahl an sich, sondern behandeln im Prinzip jeden Schritt von Partnerwahl bis zum Altar, wo die Ehe geschlossen wird. Themen über die Ehelosigkeit (aber auch Themen, die die Zeit nach der Hochzeit betreffen) hört man eher selten. Dabei kann der Eindruck entstehen, dass die Ehe das anzustrebende Lebensziel ist. Sicher ist das nicht beabsichtigt und die Themen haben auch ihre Berechtigung, doch verfestigt sich manchmal der Mythos, dass die Ehe die Erfüllung des Lebens ist. Und auch wenn die meisten Jugendlichen sich nicht zu diesem Mythos bekennen würden, leben sie so, als wenn er wahr wäre.
Kürzlich stieß ich auf einen Artikel von Paul D. Tripp, in dem 7 Mythen beschrieben werden, die den Ehealltag betreffen. Ich möchte hier zwei davon (Mythos 3 und 4) herausgreifen, die Aussagen zusammenfassen und durch eigene Überlegungen ergänzen:
Mythos: Die Beziehung mit jemandem, den du liebst, ist einfach
Zwischenmenschliche Beziehungen sind nie einfach. Das ist auch bei den Beziehungen zu Menschen, die du liebst, nicht anders. Das liegt allerdings nicht am Anderen, sondern zuerst an dir selbst. Ich merke das in unserer Ehe immer wieder, dass ich egoistisch bin und die Beziehung zu meiner Frau darunter leidet. Viel zu oft sind meine Motive von Selbstgefälligkeit durchdrungen. So schreibt Tripp zu dem Mythos unter anderem:
„Viel zu oft konzentrieren wir uns darauf, was der Andere nicht tut, oder warten darauf, dass der Andere etwas tut, statt unserer Verpflichtung nachzugehen, täglich das Notwendige zu tun, damit unsere Ehe mehr der Absicht Gottes entspricht.“ (Übersetzung von mir)
Es ist möglich, eine gute Ehe zu führen, doch dies passiert nicht einfach so. Tripp führt aus:
„Eine gute Ehe ist kein mysteriöses Geschenk, sondern vielmehr eine Reihe von Verpflichtungen, die sich zu einer Lebensweise des Augenblicks formen.“ (Übersetzung von mir)
Es genügt also nicht, jemanden zu lieben, und ihm einmal die Treue zu versprechen. Es gilt, jeden Tag und Moment neu, sich zu verpflichten.
Mythos: Vergebung ist hauptsächlich eine horizontale Angelegenheit
Auch in den besten Ehen kommt es zu Verfehlungen. Konflikte führen manchmal zu Streit und Verletzungen. Ich habe recht lange dafür gebraucht, zu erkennen, dass es nicht wichtig ist, jedem Konflikt aus dem Weg zu gehen. Viel entscheidender ist der Umgang mit Konflikten und die Aufarbeitung derselben. Bei der Aufarbeitung kommt man schnell zur Notwendigkeit der Vergebung. Natürlich gehört zur Aufarbeitung mehr als nur Vergebung, doch ist diese ein enorm wichtiger Teil davon. Allerdings nicht nur die Vergebung des Ehepartners, sondern vor allem – und zuerst – die unseres Gottes. Wenn auch – wie mir scheint – ich viel häufiger auf die Vergebung meiner Frau angewiesen bin, so gibt es doch Situationen, wo ich herausgefordert bin, ihr zu vergeben. Für diesen Fall finde ich die Ausführungen Tripps zu dem Mythos 4 (Forgiveness is merely a horizontal transaction) sehr hilfreich:
„Wenn dir von deinem Mann oder deiner Frau Unrecht in Wort oder Tat getan wurde, sollte deine Reaktion von einer unmittelbaren Verpflichtung Gott gegenüber geprägt sein. Vergebung beginnt damit, dass du das Vergehen an Gott weitergibst. Das bedeutet nicht, Falsches als richtig anzusehen. Es heißt, dass du das Unrecht nicht mit dir herum trägst (Bitterkeit), und dass du den anderen nicht im Hinblick auf das Falsche behandelst (Richten). Du vertraust dich der Barmherzigkeit und des Gerichts Gottes an und lässt dich auf die Überwindung des Bösen durch das Gute ein (vergleiche die von Paulus in Röm 12,9-21 ausgeführten Prinzipien). Du verpflichtest dich also deinem Ehepartner mit der Gnade zu begegnen, die dir selbst geschenkt wurde und begibst dich so nicht in die Position Gottes, dass du deinen Ehepartner für sein Vergehen bestrafst.“ (Übersetzung von mir)