Kirchengeschichte umfasst im Grunde zwei Ansätze: Die Geschichte der Kirchen (also der Einfluss der Kirche(n) im Allgemeinen und vor Ort auf die Gesellschaft, das Recht etc.) und die dazugehörige Dogmen- bzw. Theologiegeschichte (also was in bestimmten Epochen gelehrt wurde). Meistens findet Kirchengeschichte an universitären Einrichtungen statt und nur selten innerhalb einer Gemeinde. Entweder man beruft sich recht schwammig auf Traditionen und „Väter“ (ohne wirklich quellenbasiert Aussagen zusammenzutragen), oder man sucht ständig den neuesten Trend, ohne einen Blick in die Vergangenheit werfen zu wollen.
Coleman Ford, PhD Student am SBTS in Louisville, benennt fünf Wege, wie man als Gemeinde gewinnbringend in die Geschichte einsteigen kann. Unter anderem heißt es da:
Studiert mehr Geschichte innerhalb der Gemeinde
Ford schlägt vor, in christlichen Kleingruppen und Hauskreisen die Biografien von den Glaubensmännern vergangener Tage zu behandeln. Angefangen bei den direkten Schülern der Apostel bis hin zu Personen der Gegenwart. Angelehnt an Hebräer 11 kann es die Gemeinden ermutigen, diesen Vorbildern nachzueifern. Und es wird deutlich machen, dass es nicht darum geht, immer nur dem neuesten und hippsten nachzujagen, sondern die uralte Botschaft von der Gnade in Christus zu verkündigen.
Lest als Gemeinde mehr christliche Klassiker
Genauso wie man die Geschichte der Glaubenshelden studiert, sollte man die Werke dieser Personen kennen. Ford denkt da z. B. an Augustinus‘ „Bekenntnisse“, John Bunyans „Pilgerreise“ und Dietrich Bonhoeffers „Gemeinsames Leben“. Das sind natürlich nur einige von vielen Möglichkeiten; man könnte u.a. noch Werke von Luther, Calvin, Edwards und vielen weiteren anführen. Natürlich wird man nicht in allen Punkten die Position der jeweiligen Autoren einnehmen. Aber letztendlich sind diese Texte Ausdruck und ein starkes Zeugnis des Glaubens von Männern und Frauen die mit Gott lebten und von seiner Güte und Gnade zeugten.
Ich habe übrigens gehört, dass manche Christen sich vornehmen, in einem Jahr das Gesamtwerk einer Person der Kirchengeschichte zu lesen. Wäre das nicht ein guter Vorsatz für 2018? Sämtliche Werke Martin Luthers sind übrigens online einzusehen! (Auch wenn das für ein Jahr etwas viel werden dürfte)
Pflegt eine Haltung der Demut
Dieser Punkt ist laut Ford der schwierigste und zugleich wichtigste Aspekt. Gemeinden stehen nämlich in der Gefahr, sich schon „am Ziel“ zu wähnen bzw. ihr Modell als ultimatives Vorbild für andere Gemeinden zu sehen. Dabei gerät in den Hintergrund, dass nicht wir die Kirche bauen, sondern Gott, der die Menschen als Werkzeuge gebraucht. Demut heißt, auf die Stimmen der Vergangenheit zu hören und die Versuchung zu bekämpfen, immer auf dem neuesten Stand sein zu müssen.
Es heißt aber auch, dass man vom sogenannten „Goldenen-Zeitalter-Syndrom“ wegkommen muss (wenn man also meint, dass bestimmte Zeiten der Kirche besonders gesegnet waren und man sich am Ende diese Zeiten wieder herbeisehnt bzw. in diesen Zeiten leben möchte). Natürlich hat Gott immer wieder bestimmte Epochen und Personen im Besonderen für seine Sache genutzt. Aber die Kirchengeschichte umfasst immer beides: Siege und Niederlagen. Ich würde hinzufügen: Gerade deshalb sollte man auch gegenüber der eigenen Geschichte immer kritisch sein. Wir sind keine „Insel der Erkenntnis“, auch die Geschichte unserer Denomination(en) ist immer wieder von Fehlern, Sünden und Irrtümern geprägt gewesen. Und deswegen sollten wir auch gegenüber der eigenen Geschichte Demut bewahren. Wenn wir das aber bedenken, kann der Umgang mit der (eigenen) Geschichte sehr hilfreich und belebend sein.
Der vollständige Artikel (nur auf englisch) findet sich hier.