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Leben als Christ

Wie gestaltest du die Familienandacht?

These: Wir sprechen nicht gerne über dieses Thema

Diese Frage wurde mir vor einiger Zeit von meinem Bruder gestellt. Aus verschiedenen Gründen konnte das Gespräch damals nicht fortgesetzt werden und meine Antwort blieb aus. Aber ich hätte ihm auch nicht immer eine Antwort darauf geben können. Es gab Phasen, in denen ich gar keine Familienandacht durchgeführt habe. Vermutlich bin ich nicht der einzige. Meine These: Über die Durchführung der Familienandacht sprechen wir nicht gerne, weil es sie in unseren Familien leider nicht gibt. Wir lesen unseren Kindern zwar immer mal wieder etwas vor, singen vielleicht zwischendurch sogar mit ihnen und beten abends vor dem Zubettgehen. Aber die Familienandacht als feste Routine mit der Bibellese als zentralem Element existiert oft nicht. Deshalb haben wir ein schlechtes Gewissen und meiden dieses Thema. Don Whitney berichtete in einem Interview über sein Buch Family Worship, wie sich unter einer Vielzahl von Bibelschülern nur etwa eine handvoll meldeten, als er sie fragte, ob sie zuhause eine Familienandacht gehabt hätten.

Das kommende Jahr ist ein guter Anlass, sich neu ermutigen zu lassen, die Familienandacht zur festen Routine werden zu lassen.

Hindernisse

Ich möchte zwei Hürden anführen, die ich selbst zu überwinden hatte:

  1. Überhöhte Erwartungen
    Wenn man anfängt, möchte man es direkt perfekt machen. Dadurch setzen wir uns selbst unter Druck, geben schnell auf oder fangen erst gar nicht an. Deshalb: Setz den Maßstab nicht zu hoch, fang einfach an. Es ist besser, es nicht ganz perfekt zu machen, als es gar nicht erst zu probieren. Wir sollten die Familienandacht nicht als zusätzliche Last oder ein besonders anspruchsvolles ToDo, sondern als Privileg empfinden. Wir werden allein aus Gnade gerettet und nicht weil wir die Familienandacht regelmäßig durchgeführt haben. Diese wunderbare Botschaft dürfen wir als Familie zusammen studieren.
  2. Keine feste Zeit bzw. falsche Prioritäten
    Wenn man keine feste Tageszeit einplant, wird es nicht gelingen. Wir haben für uns z.B. immer die Zeit direkt nach dem Abendessen eingeplant. Wichtig ist auch, dass man der Andacht innerlich auch die Priorität gibt, die ihr zusteht. Ansonsten findet man immer Ausreden. Einige meiner typischen Ausreden: Ich bin zu müde, zu sehr mit anderen Aufgaben beschäftigt, es sind gerade Besucher da. Wundere dich nicht darüber, dass es immer mal wieder Phasen gibt, in denen die Familienandacht auf der Strecke bleibt. Suche stattdessen den schnellstmöglichen Wiedereinstieg. Heiligung findet auch hier über Kampf statt und nicht über einen einmaligen Sprung auf ein neues Level der Heiligkeit.

Durchführung

Eine letzte Herausforderung bestand für mich auch darin, wie ich anfangen sollte. Einige persönliche Erfahrungen (unsere Kinder sind 2, 4 und 7 Jahre alt):

  • Das Buch Mit Kindern durch die Bibel hat mir einen guten Einstieg ermöglicht. Es ist aufgebaut wie eine kleine „Systematische Theologie“ für Kinder und enthält in jeder Lektion einen Abschnitt mit Fragen zum behandelten Thema – als Anregung zum Gespräch. Fast jede Lektion beinhaltet eine biblische Geschichte, die den jeweiligen Lehraspekt verdeutlicht. Ich habe anfangs die Lektion und den entsprechenden Bibeltext vorgelesen und die vorgegeben Fragen mit den Kindern besprochen. Dabei habe ich versucht, die Fragen dem Alter der Kinder entsprechend zu stellen oder anzupassen. An manchen Stellen war der vorgegebene Text aber zu anspruchsvoll für die Kinder.
  • Nach der Lektion stelle ich immer mal wieder ein bis zwei Fragen aus einem Kinderkatechismus. Den perfekten Katechismus habe ich bisher noch nicht gefunden, aber wir haben gute Erfahrungen mit dem Kinderkatechismus vom Betanien- und 3L-Verlag. Seit einiger Zeit nutze ich den New City Katechismus auf deutsch, den Evangelium21 als PDF frei zur Verfügung stellt.
  • Zurzeit lesen wir gemeinsam im Markusevangelium, jeden Abend einen Abschnitt. Ich hoffe, dass wir eines Tages die ganze Bibel als Familie gelesen haben. Als Hilfsmittel nutze ich eine Tafel in unserer Küche, auf der ich je nach Inhalt etwas skizziere oder Zusammenhänge veranschauliche. Meistens notiere ich auch einen zentralen Vers, den wir gemeinsam aufsagen. Ich kann nicht genug betonen, wie sehr die Arbeit mit der Tafel den Lerneffekt verstärkt.
    Alternativ kann man sicher auch ein Flipchart oder ein Blatt Papier nutzen. Im Anschluss wiederholen die Kinder (unter meiner Anleitung), was wir heute gelesen und gelernt haben. Ich versuche dabei, jedem Kind altersgerechte Fragen zu stellen. Der Kleinste saugt bisher nur die Atmosphäre auf, vor allem beim Gesang.
  • Nach der Andacht singen wir ein Lied. Manchmal ein Kinderlied, zurzeit aber meistens ein Lied aus dem neuen Liederbuch von E21. Ich staune manchmal, wie leicht Kinder sich auch für Choräle begeistern lassen. Meine Frau begleitet uns beim Singen meistens am Klavier.
  • Als wesentliches Element würde ich als drittes noch das Gebet nennen. Aktuell halten wir es so, dass wir mit unseren Kindern auf ihren Zimmern beten, weil sie dort eher zur Ruhe kommen und sich nicht so stark gegenseitig ablenken. In der Regel gehen sie nach der Andacht zu Bett. Die Großen nehmen in ihr Gebet immer auch jemanden aus dem Freundes- oder Verwandtenkreis auf. Die jeweiligen Namen werden von den Kindern aus einer “Schatztruhe” gezogen, die Gebetskarten mit den Namen der Personen enthält.

Weitere Anregungen (auf englisch):

Eine Antwort auf „Wie gestaltest du die Familienandacht?“

Ein wirklich motivierender Beitrag, herzlichen Dank dafür!
Als weitere (deutsche) Ressourcen zur Gestaltung der Familienandacht kann ich zwei Bücher empfehlen:

Sebastian Merk: Die Familienandacht. Eine praktische Anleitung (z. B. bei Betanien)
Jerry Marcellino: Der verlorene Schatz der Familienandacht. Die Wiederentdeckung des Gottesdienstes als Familie (nur noch antiquarisch zu erhalten; im Moment ein Exemplar bei Amazon für unter drei Euro)

Beide Bücher haben nicht mehr als 70 Seiten und können an einem Abend durchgeackert werden. Insgesamt gibt es viele gute Impulse; ich meine mich zu erinnern, dass einer der beiden Autoren dass Einrichten einer „Familienbibliothek“ anregt, in der sich die Familienmitglieder zum Lesen, Reden und Studieren treffen können 🙂

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