In 1. Timotheus 3,11 lesen wir: „[Die] Frauen sollen ebenfalls ehrbar sein, nicht verleumderisch, sondern nüchtern, treu in allem.“ Im Kontext bezieht sich das Wort „Frauen“ (Gr. gyne) entweder auf weibliche Diakone oder die Ehefrauen von Diakonen. Die englischen Übersetzungen legen sich nicht fest: Die NIV übersetzt mit „die Frauen“, mit einer Fußnote dazu, „Möglicherweise Ehefrauen von Diakonen oder Frauen, die Diakone sind.“ Die NASB übersetzt ähnlich mit „Frauen“ mit einer Fußnote, „entweder Ehefrauen von Diakonen oder Diakonissen.“ (Anmerkung zu den deutschen Übersetzungen: Die Luther 2017 und die Menge legen sich z.B. darauf fest, dass es die Frauen der Diakone sind („ihre Frauen“). Die Schlachter 2000 lässt es offen („[Die] Frauen“), die NGÜ entscheidet sich dafür, dass es Frauen mit einem diakonischen Amt sind („Frauen, ´denen ein diakonisches Amt übertragen wird`“), setzt es aber in Anführungszeichen; die Hoffnung für alle und die Gute Nachricht Bibel übersetzen mit „Diakoninnen“.)
Alles in allem ist es aus folgenden Gründen wahrscheinlicher, eher an weibliche Diakone (bzw. Diakoninnen) zu denken:
- Die Abwesenheit von Anforderungen für die Ehefrauen von Aufsehern: Warum sollte Paulus Anforderungen für die Ehefrauen von Diakonen vorgeben, nicht aber für die von Aufsehern?
- Das Wort „ebenfalls“ (kann auch mit „auf dieselbe Weise“ übersetzt werden) in 1. Timotheus 3,11 weist höchstwahrscheinlich auf den Übergang von einem Dienst zum anderen hin, wie das auch in 1. Timotheus 3,8 der Fall ist (von Ältesten zu Diakonen).
- Die parallele Satzstruktur und ähnliche Kennzeichen in den Versen 8 und 11 (sowie der fehlende Artikel vor „Frauen“) weisen ebenfalls auf zwei verschiedene, aber zusammenhängende Dienste hin.
- Die Abwesenheit von Kriterien/Kennzeichen wie beispielsweise „ihre“ im Griechischen: „Ihre“ ist bspw. in der NIV hinzugefügt worden, weil die Übersetzer das im Englischen für notwendig hielten.
Zu beachten ist auch, dass Phöbe in Römer 16,1 höchstwahrscheinlich ein weiblicher Diakon der Gemeinde in Kenchreä war (was durch die Kommentare von Douglas Moo (NICNT) und Thomas Schreiner (BECNT), beides Vertreter der komplementären Sicht, bestätigt wird). Paulus‘ Erwähnung weiblicher Diakone passt gut zu seinem früheren Verbot des Dienstes von Frauen in Lehre oder Leiterschaft Männern gegenüber (1. Tim 2,12) und zur fehlenden Erwähnung von weiblichen Ältesten in 1. Timotheus 3,1-7.
Da ein Diakon zu sein weder Lehre noch Leitung beinhaltet, sind sowohl Frauen als auch Männer zum Dienst in dieser Funktion geeignet. Zu beachten ist, dass im Fall weiblicher Diakone die eheliche Treue nicht zu den Anforderungen gehört (vgl. 1. Tim 3,2;12), wahrscheinlich, weil eheliche Untreue auf Seiten der Männer verbreitet war und auf Seiten der Frauen nicht, und möglicherweise auch, weil von weiblichen Diakonen nicht notwendigerweise erwartet wurde, dass sie verheiratet waren (einige könnten Witwen oder Singles gewesen sein).
Viele konservative Gemeinden zögern, weibliche Diakone zu ernennen, weil Diakone oft eine leitende Rolle haben. Sie befürchten, dass das Vorhandensein von weiblichen Diakonen auf theologischen Liberalismus schließen lassen könnte, da die Schrift Frauen nicht in leitenden Positionen erlaubt (vgl. besonders 1. Tim 2,12; 5,17). Das Problem jedoch liegt nicht in den weiblichen Diakonen, sondern im unbiblischen Verständnis der Rolle von Diakonen.
Tatsächlich ist dies eine großartige Möglichkeit zu zeigen, dass diejenigen, die beim sogenannten „Frauen-Thema“ konservativ sind, nicht gegen Frauen in geistlichen Ämtern sind, wie manchmal unterstellt wird, sondern dass sie den legitimen Dienst von Frauen bejahen. Warum sollten männliche Diakone bestätigt, anerkannt und für ihren Dienst gewürdigt werden, Frauen aber nicht, die die gleiche Art von Diensten ausführen? Außerdem beraubt sich die Gemeinde selbst um einen wertvollen Dienst, wenn sie die Ernennung weiblicher Diakone verweigert.
Mein Kommentar über 1. und 2. Timotheus sowie Titus im Expositor’s Bible Commentary, Vol. 12 (rev. ed.; Grand Rapids: Zondervan) gibt einen umfassenderen Einblick in das Thema “weibliche Diakone”. Weitere Quellen sind “Hermeneutical and Exegetical Challenges in Interpreting the Pastoral Epistles,” The Southern Baptist Journal of Theology 7/3 (Fall 2003): 4–17; und “The New Testament Pattern of Church Government,” Midwestern Journal of Theology 4/2 (2006): 43-56.
Der Artikel stammt von Andreas Köstenberger und erschien zuerst auf der Internetseite von Biblical Foundations unter dem Titel „Can Women Be Deacons?“. Wir haben den Beitrag mit freundlicher Genehmigung übersetzt und veröffentlicht. Vielen Dank für die Übersetzung, Anna Tissen!