Vor etwa einem Jahr durfte ich einen Vortrag zum Vorreformator Johannes (kurz Jan) Hus halten und den Inhalt anschließend in einem Artikel für die Jugendzeitschrift unserer Gemeinde zusammenfassen; diesen möchte ich in etwas abgeänderter Fassung hier wiedergeben:
Sein Lebenslauf
Johannes Hus wurde um 1370 herum geboren (eine genaue Datierung ist heute nicht mehr möglich). Nach seiner Herkunft, nämlich dem Dorf Husinec, bekam er den Nachnamen Hus. Etwa um 1390 ging er als Student der Philosophie nach Prag, eine der wichtigsten Universitäten ihrer Zeit. Nach dem Abschluss seines Studiums wurde er Hochschullehrer an der gleichen Uni und nahm etwa zu dieser Zeit ein Theologiestudium auf. Neben wichtigen Positionen an der Universität konnte er so zum Priester geweiht und 1402 zum Prediger der Bethlehemskapelle ernannt werden. Hus wurde in seiner Lehre und seinen Predigten vor allem durch die Schriften des englischen Reformators John Wyclif geprägt, der Hus ein neues Verständnis von Kirche und Bibel gebracht hatte. Hus bekämpfte so vor allem die Missstände innerhalb der Kirche; insbesondere im Bereich der Sexualität und des Eigentums war vieles unter den Priestern, Kardinälen und anderen Klerikern nicht biblisch. Hus konnte so mehrere Jahre recht ungestört das Evangelium predigen; die Widerstände waren zu diesem Zeitpunkt noch in einem erträglichen Rahmen.
Ab etwa 1410 vergrößerte sich der Widerstand zusehends. Durch seine offenen Ansprachen hatte Jan Hus sich viele Feinde gemacht und wurde von Teilen der (innerlich gespaltenen) Kirche erbittert verfolgt. Das Blatt begann sich zu wenden, als auch der böhmische König Wenzel seinen Schutz endgültig von Jan Hus nahm. Am schmerzhaftesten war sicher auch die Tatsache, dass viele ehemalige Freunde von Hus sich jetzt von ihm abwandten. 1412 wurde der Kirchenbann auf Hus gelegt und schlussendlich musste er die Stadt verlassen.
Nach einiger Zeit des Herumreisens und Lehrens wurde Hus vor das Konzil (einem Treffen der wichtigsten Führer der Kirche) in Konstanz geladen. Hus folgte dieser Einladung, weil er hoffte, sich dort fair verteidigen zu können. Aber das Gegenteil war der Fall: Hus wurde recht schnell nach seiner Ankunft eingekerkert und nach einigen Vorladungen vor das Konzil zum Tode verurteilt. Am 6. Juli 1415 wurde Jan Hus vor den Toren der Stadt verbrannt.
Was war das Problem? – Zur Lehre von Jan Hus
Warum genau gab es diese Unterschiede zwischen Jan Hus und der Katholischen Kirche? Warum waren diese Unterschiede so gewichtig, dass die Kirche letztendlich keine andere Möglichkeit sah, als Hus zu verurteilen? Hier kommen die wichtigsten Punkte:
- Hus hatte ein anderes Verständnis von Kirche (oder Gemeinde). Für ihn definierte sich die Mitgliedschaft zu der christlichen Gemeinde nicht über die Institution (also die reine Zugehörigkeit), sondern über Jesus Christus. Gläubig war also der, der von Gott erwählt und in Jesus Christus Teil der Gemeinschaft wurde. Hus entkräftete so massiv die Position der katholischen Kirche, die diesen individuellen Bezug zum Glauben sehr kritisch sah.
- Weiterhin kritisierte Jan Hus die Handhabung und das Verständnis des Abendmahls. Unter anderem setzte er sich dafür ein, dass auch einfache Gemeindemitglieder den Wein trinken durften (der sogenannte Laienkelch).
- Der vielleicht wichtigste Unterschied zwischen Hus und der Kirche war die Frage nach der letzten Autorität in Glaubens- und Gewissensfragen. Hus berief sich dabei ganz auf die Schrift und nahm so das reformatorische „Sola Scriptura“ vorweg, während die Kirche faktisch den Papst als letzte Autorität nannte. Nach Hus sollte jeder Christ eigenständig prüfen, ob die Gebote der Kirche auch den Geboten der Bibel entsprachen; aus dieser Überlegung heraus entwickelte er „die Lehre vom notwendigen Ungehorsam der Christen“ – Wenn Christen Dinge tun würden, welche den Geboten der Bibel nicht entsprächen, oder der Kirche Schaden zufügen würden, würde man als Einzelner sich an einem Verbrechen schuldig machen.
Was hat Jan Hus mit uns zu tun?
Drei Lektionen aus dem Leben des böhmischen Reformators:
- Gott wacht über die Geschichte. In Sprüche 21, 1 heißt es: „Gleich Wasserbächen ist das Herz des Königs in der Hand des HERRN; er leitet es, wohin immer er will“. Aus der Perspektive von Hus waren die Einzelheiten seines Lebens sicher häufig schwer zu ertragen und nicht selten verwirrend; aber Gott nutzte diesen fehlerhaften Menschen, um seine Geschichte zu schreiben. Genauso nutzt Gott auch unsere Geschichten und fügt sie in seine Geschichte ein, selbst wenn wir die klare Linie nicht immer und vielleicht auch nur selten erkennen. Deswegen dürfen wir bedingungslos vertrauen.
- An Jan Hus können wir sehen, was es heißt, bis zum Schluss zur Wahrheit zu stehen. Für Hus war das Diskutieren und Debattieren in Glaubensdingen keine rein sportliche Übung und ein Zeitvertreib. Er wusste, dass es ihn vielleicht das Leben kosten würde (was es letztendlich ja auch tat). Genauso sollen auch wir zur Bibel und der darin offenbarten Wahrheit stehen. Die Bibel ist die letzte Autorität in allen Fragen. Wir sollen alles und jeden anhand der Schrift prüfen; in erster Linie aber sollten wir vor allem uns selbst immer auf dieser Grundlage kritisch hinterfragen. In 2. Tim 3,16-17 heißt es: „Alle Schrift ist von Gott eingegeben und nützlich zur Belehrung, zur Überführung, zur Zurechtweisung, zur Erziehung in der Gerechtigkeit, damit der Mensch Gottes ganz zubereitet sei, zu jedem guten Werk völlig ausgerüstet“.
- Zum Schluss können wir von Jan Hus lernen, auch zum Leiden bereit zu sein. Menschlich gesehen ist das, was er aushalten musste, im Grunde unerträglich. Und weil wir nicht sagen können, was uns als Christen in der Zukunft noch erwartet, sollte uns dieser Punkt wie kein anderer ins Gebet treiben. Von uns aus sind wir leidensscheu – deshalb müssen wir Gott bitten, dass er uns befähigt, in den entsprechenden Situationen seine Wahrheit höher zu achten, als unsere (körperliche und geistige) Unversehrtheit.