Kategorien
Bibel & Theologie

Grenzen christuszentrierter Auslegung

Daniel Knoll hat am MBS sehr hilfreiche Vorlesungen zum Predigen der verschiedenen Literaturgattungen der Bibel unter dem Titel Die eine Botschaft in ihrer Vielfalt auslegen gehalten (die Aufnahmen sind nur intern am MBS verfügbar). Zu Beginn geht er auch auf die Biblische Theologie ein, die – vereinfacht gesagt – darauf hinweist, dass Jesus das Zentrum der Bibel ist, von dem her AT und NT gelesen werden müssen. Seine Anmerkungen zum Begriff christuszentriert sowie die die von ihm genannten Grenzen Biblischer Theologie sollten beachtet werden:

Zum Begriff christuszentriert

Oft hört man vielleicht den Begriff christuszentrierte Bibelauslegung, aber weil das für mich manchmal bisschen zu verengt wird nenne ich es evangeliumszentrierte Bibelauslegung. Es geht natürlich im Evangelium um Jesus Christus, aber es kann manchmal die Tendenz entstehen, alles auf die Person Jesus zuzubringen; doch wenn man über Eden und den Sündenfall nachdenkt, wird das Ganze doch etwas breiter – es geht ja um das ganze Evangelium! Deswegen nenne ich es evangeliumszentrierte Auslegung.

Grenzen der Biblischen Theologie

Es ist wichtig wahrzunehmen, das das Ganze auch seine Grenzen hat. [Biblische Theologie] ist nicht das einzige Nonplusultra das wir brauchen. Manchmal hört man ja die Aussage „Christus ist auf jeder Seite der Bibel zu finden“, aber dieser wertvolle Ansatz kann auch in einer ungesunden, übertriebenen, vereinfachten Weise gebraucht werden, was dann wiederum der Vielfalt von Gottes Wort nicht gerecht wird. Ich würde es als These folgendermaßen formulieren: „Alle Texte der Bibel liegen auf dem Weg zu Christus, aber nicht jeder Text in der Bibel handelt von Christus.“ Ich glaube das ist eine ganz wichtige Differenzierung.

Ein paar Grenzen, die das deutlich machen:

  1. Wenn wir in dieser Weise Gottes Wort auslegen und verkündigen dann ist es wichtig, trotzdem die ursprüngliche Aussageabsicht des Textes zu hören und zu verkündigen. Es kann schnell passieren, dass man einen Text hat und dann ganz schnell die Verbindung zu Jesus ziehen will – und dann hört man gar nicht mehr, was der eigentliche Text sagen wollte. Aber es gibt viele bedeutende Lehren, die nicht direkt Jesus Christus heißen, sondern drumherum wichtig sind um die Herrlichkeit und das Wesen Gottes deutlich zu machen; die die Bibel auch bespricht: Der Mensch als Ebenbild Gottes, die Konsequenz des Bösen, Umgang miteinander, Gottes Herrschaft über die Nationen usw. Es wäre unzureichend, wenn wir Texte nehmen und zu schnell die Verbindung zu Jesus ziehen und dann das, was Gott uns durch diese Texte eigentlich sagen wollte, gar nicht hören. Eine Gefahr die ich an dieser Stelle ganz besonders wahrnehme ist, die moralischen Hinweise der Bibeltexte nicht mehr zu hören. Ich habe mal einen Vortrag über christuszentriertes Predigen gehört, in dem der Redner das Beispiel von 1. Mose 39 nannte, wo Joseph von Potiphars Frau verführt wird und wegrennt. Dieser Bibellehrer hat dann gesagt: „Wenn ihr diesen Bibeltext auszulegen habt, predigt auf gar keinen Fall über Pornografie, denn es geht in diesem Text um Jesus!“ – und das stimmt! Aber: Nicht über sexuelle Versuchung oder sexuelle Reinheit zu predigen, sondern nur über Jesus halte ich für verkürzt weil ich glaube, das ist genau das was der Text sagen will. Man kann also diese gute Methode in einer Weise gebrauchen, die das Evangelium verflacht. Wir müssen zuerst die ursprüngliche Aussage herausarbeiten und dann in der Gesamtaussage der Bibel verorten und den Text nicht nur als Sprungbrett nehmen.

  2. Eine zweite Grenze ist der Umfang und die thematische Vielfalt der Texte, die wir haben. Es ist wichtig, den individuellen Beitrag, den jedes Buch in seiner Eigenheit hat, zu würdigen und wahrzunehmen. […] Wenn manche versuchen, das zentrale Thema der Bibel zu benennen, werde ich etwas zurückhaltend. Das geht in einigen Büchern sehr gut, aber bei Esther und Philemon wird es bisschen schwieriger. Wir wollen aber als Prediger und Ausleger den ganzen Ratschluss wahrnehmen und nicht nur die Texte, die das etwas einfacher machen.

  3. Eine andere Grenze ist der lange Weg der biblischen Heilsgeschichte. Die Geschichte dessen, wie Gott handelt, die sollten wir nicht verflachen indem wir das Alte Testament lesen und immer schon voraussetzen: „Es kommt ja sowieso Jesus und bringt Erlösung“. Dann lesen wir irgendeinen Gerichtstext und springen gleich zum Kreuz. Aber für alle Leser vor Jesus war das die große Spannung, das große Leiden und das große Warten – was tut Gott in dieser verdorbenen Welt und in meinem verdorbenen Leben. Und: Gott ist eben noch nicht Mensch geworden. Das Wunder, das größte Wunder überhaupt – dass Gott Mensch geworden ist – das spüren wir nur, wenn wir merken, dass er das nicht ist. Er ist es eben nicht schon in 1. Mose geworden. Auch im Neuen Testament haben wir noch diese Spannung, das Gottes Werk in uns, in dieser Welt, in seiner Gemeinde noch nicht vollendet ist und noch Leid da ist und noch Sünde und Versagen da ist. Die Notwendigkeit des Kreuzes darf nicht hinter der Tatsache des Kreuzes verschwinden! Das passiert so schnell. Wir fangen z.B. in einem Gottesdienst alles mit Gnade an, aber wie diese Gnade strahlt, wie sehr sie notwendig ist das ist gar nicht bewusst, weil der ganze Weg dahin, die ganze Voraussetzung fehlt. Wir sollten darauf achten, nicht unbewusst das Wunder des Evangeliums zu einer Selbstverständlichkeit werden zu lassen und in jedem Text der Bibel gleich zu erwarten „und weil Jesus da ist, ist alles gut“ – das wäre zu verflacht.

Eine Antwort auf „Grenzen christuszentrierter Auslegung“

Kommentar verfassen