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Bibel & Theologie

Opfer in der Umwelt des Alten Testaments

Dieser Artikel ist der erste Artikel einer dreiteiligen Artikelreihe über die Opfer in 3. Mose:

  1. Opfer in der Umwelt des Alten Testaments
  2. Beobachtungen zu 3. Mose 1-5 und Übersicht über die Opferarten
  3. Die Theologie der Opfer

Ein Blick auf die Umwelt Israels zeigt, dass Israel nicht das einzige Volk war, das opferte. Allerdings sind Unterschiede in Opferpraxis und Opferzweck zu erkennen, worauf in diesem Artikel eingegangen werden soll.

Religionsgeschichtlicher Ursprung des Opfers 

Nach dem Ergänzungsband 1, Zur Umwelt des Alten Testaments, des Edition C Bibelkommentars könne religionsgeschichtlich der Ursprung des Opfers  nicht eindeutig bestimmt werden, aber es sei möglich, einige Grundzüge der Opferpraxen und -bedeutungen herauszuarbeiten. Dabei könnte man drei Hauptkonzepte nennen, die nicht immer scharf voneinander getrennt werden könnten. „Denn allen Opfervorstellungen liegt der Glaube an eine außerhalb des Opfernden stehende Macht zugrunde. Der Opfernde will durch sein Opfer diese Macht erreichen und mit ihr kommunizieren.“

3 Hauptkonzepte

  1. Opfer, die diese Macht als erhabene Macht anerkennen und unterwürfig akzeptieren
  2. Opfer, die als Mittel zur Gemeinschaft oder Korrespondenz mit dieser Macht dienen
  3. Opfer, die diese Macht zu beschwichtigen oder zu kontrollieren suchen

Wolfgang Bluedorn beschreibt dann weiter das Opferwesen in Israels Umwelt, welches hier stichpunktartig wiedergegeben werden soll:

Ugarit (liegt im heutigen Syrien)

  • Opferpraxis: es gibt wenig Informationen zur Opferpraxis. In der ugaritischen Literatur wurde nicht die Opferpraxis, sondern Anlass und Bedeutung der Opfer betont
  • Anlass: der Mensch suchte Gemeneinschaft mit den Göttern
  • Vorstellung: die Gottheit selbst nehme teil an dem Gemeinschaftsmahl

Mesopotamien (im heutigen Irak)

  • Anlass: Speisung der Götter; nicht als Gemeinschaftsmahl, d.h. die Menschen durften die Opfer nicht verzehren
  • Opferpraxis: die Priester und Schamanen brachten morgens und abends Fleisch, Fisch, Gebäck, Obst und Getränke auf einem Tisch; die Getränke wurden dabei ausgegossen; Weihrauch und wohlriechende Stoffe begleiteten die Mahlzeiten; nur ausnahmsweise wurden Teile der Opfer verbrannt; Blut spielte keine Rolle
  • Vorstellung: „erhabenes Götterbild“, d.h. Götter sind den Menschen ähnlich, aber in ihren Möglichkeiten überlegen.Sie sind angewiesen auf Nahrung, wenn die Opfer ausbleiben, zog man sich den Zorn der Gottheit auf sichEs wurde auch Dämonen, dem König und Ahnen geopfert.

Ägypten

  • Opferpraxis: die Opfertiere wurden gebraten und dreimal täglich zusammen mit Früchten, Broten, Kuchen usw. der Gottheit als Mahlzeit vorgesetzt. Die Speisen wurden durch Räucherung und Besprengung geweiht. Daraufhin wurde die Gottheit mit einer Spruchformel eingeladen. In Literatur bilden diese Spruchformeln den wesentlichen Aspekt der Opfer -> Eindruck: der Gott muss auf die Gabe aufmerksam gemacht und eingeladen werden.Nur der Pharao durfte opfern, somit war jedes Opfer ein königliches Opfer.
  • Anlass: vorwiegend als Mahlzeiten für die Götter;
  • Vorstellung: die Opfer sind Bindeglied zwischen Menschen und Gottheit; es ist eine Anerkennung der GottheitDie Schlachtung des Opfertieres wurde gleichzeitig auch als Tötung des Gottesfeindes verstanden; man brachte praktisch dem Gott den getöteten Gottesfeind zum Verzehr

Kanaan (Israels direkte Umgebung)

  • Bereits oben beschriebene Opfer wurden übernommen;
  • dazu kamen Menschenopfer, zum Beispiel: der König von Moab opferte seinen erstgeborenen Sohn (2. Könige 3,7)Diese Form der Opfer wurde Israel von Gott ausdrücklich verboten (3.Mose 18,21; 20,2-5), was aber den König Ahas nicht abhielt, seine Söhne den kanaanäischen Göttern zu opfern (2. Chr. 28,3).

Also wird deutlich, dass Israel damals nicht das einzige Volk war, das opferte. Es sind aber deutliche Unterschiede in Praxis und Zweck zwischen dem Opferwesen Israels und den umliegenden Völkern auszumachen.
Das hilfreiche Studienbuch AT nennt (S. 119) drei große Unterschiede:

  1. wurden in Mesopotamien Opfertiere offenbar zur Hellseherei gebraucht: in den Eingeweiden eines toten Tieres glaubten einige Priester die Zukunft lesen zu können; das kannte man in Israel nicht
  2. Israels Opferwesen stand unmittelbar mit seinem Bundesverhältnis zu Gott in Verbindung; die anderen Völker kannten nichts Vergleichbares;
  3. Israels Opferwesen wurde von dem Verständnis von Gottes Heiligkeitgeprägt, ihre Auffassung von „heilig“ war in Gottes Wesen verankert. 

Sehr zutreffend schließt das Studienbuch den Abschnitt „Der Hintergrund des 3. Buches Mose“ ab:

„Obwohl das Opferwesen Israel auf uns fremdartig, ja befremdlich wirkt, war es ein wichtiger Teil der Kultur dieses Volkes. Wir sollten uns nicht darüber wundern, dass Israel Tieropfer dankbar einsetzte, wenn es im Gottesdienst vor seinen Gott trat. Und wir sollten im Blick behalten, dass und wie sich das Opfer in Israel von dem seiner Nachbarvölker unterschied.“

S. 119

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