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Wann ist jemand lehrfähig?

Feststellung: Es gibt Lehrer, die nicht lehren können

Jeder von uns erinnert sich wahrscheinlich im Rückblick auf seine Schulzeit an Lehrer, deren größte Begabung, vorsichtig formuliert, nicht im Unterrichten lag. Kann es das in der Gemeinde auch geben, dass jemand predigt, der nicht lehrfähig ist? Ja, meint Darren Carlson:

„Ich arbeite in der Mission und weltweit in der theologischen Ausbildung. Eines der schwierigsten Gespräche das wir immer wieder führen, ist das Gespräch mit Männern, die seit 20 oder 30 Jahren im Dienst stehen und gemeinsam mit uns lehren wollen, aber keine Begabung zum Lehren haben. Wir bestätigen sie häufig auf andere Weise, aber aus welchem Grund auch immer hat niemand in der Gemeinde diesen Mangel bisher angesprochen. Natürlich sind sie dann getroffen (wer würde es nicht sein?).“

R.C. Sproul sieht ebenfalls das Problem, „dass Leute sich selbst in eine Lehrerrolle berufen, die einfach nicht zum Lehren geeignet sind.“ (Bibelstudium für Einsteiger, S. 42f) Vermutlich müssen wir auch nicht lange überlegen, bis uns jemand einfällt, über den wir dasselbe Urteil fällen könnten.

Die Bibel fordert Lehrfähigkeit

Dabei fordert die Bibel doch wiederholt, dass Älteste lehrfähig sein sollen. Paulus schreibt an Timotheus, dass ein Leiter „zum Lehren befähigt sein“ soll (1Tim 3,2) und in Kontroversen „allen freundlich begegnen“ und sich „nicht provozieren lassen“ soll, aber dabei eben auch „die Lehre klar vermitteln“ muss (2Tim 2,24). Oder wie er an Titus schreibt: „Es muss ein Mann sein, der sich an das zuverlässige Wort Gottes hält, wie es gelehrt worden ist. Dann wird er in der Lage sein, die Gläubigen mit der gesunden Lehre zu ermahnen und die Gegner zu widerlegen.“ (Tit 1,9)

Aber was heißt „lehrfähig“?

1. Primär geht es um die richtige Lehre

Aber was genau heißt „lehrfähig“? Jonathan Leeman betont in seiner Antwort auf diese Frage zurecht, dass Paulus den Schwerpunkt in seinen Briefen an Timotheus und dem Brief an Titus nicht primär auf didaktische Fähigkeiten legt, sondern auf den richtigen Inhalt. Primär ist laut Paulus jemand lehrfähig, „der sich an das zuverlässige Wort Gottes hält, wie es gelehrt worden ist“, der sich an die „gesunde Lehre“ hält (Tit 1,9) usw. Die erwähnten Briefe machen das wiederholt deutlich. Ein Lehrer sollte also das Evangelium durchbuchstabiert haben, er sollte gefestigt in den Grundlagen des Glaubens sein und nicht schwammig oder gleichgültig zu fundamentalen theologischen Fragen stehen. Nur weil jemand 30 Minuten Redezeit (vielleicht sogar mit guten Geschichten) füllen kann ist er noch kein Lehrer. In dieser Betonung der richtigen Lehre steckt gleichzeitig aber auch eine große Erleichterung. Leeman kann entspannt empfehlen:

„Wenn du jemandem diesbezüglich (d.h. in Bezug auf die richtige Lehre) vertrauen kannst, dass er zuverlässig sein wird, dann schwinden meine Bedenken hinsichtlich seiner pädagogischen Fähigkeiten. In einem solchen Fall würde ich fast sagen: Setz ihn ein oder auch nicht, es ist mir egal.“

2. Sekundär geht es um pädagogische Fähigkeiten

Nichtsdestotrotz ist es verkürzt, gar nicht auf die didaktischen Fähigkeiten zu schauen (wie Leeman durch das Wörtchen fast andeutet). Primär zählt die richtige Lehre und der Charakter, doch sekundär geht es eben auch um solche Kompetenzen. Sproul fordert zurecht:

„Es ist wichtig, dass Lehrer gut ausgebildet sind. Natürlich gibt es manchmal Lehrer, die zwar kein Studium und keine Ausbildung absolviert haben, und trotzdem ein enormes intuitives Schriftverständnis haben. Aber solche Leute gibt es extrem selten. […] Ein guter Lehrer muss fundierte Kenntnisse und die nötigen Fähigkeiten haben, um schwierige Schriftstellen erklären zu können. Hier ist es sehr wichtig, dass er die biblische Sprache, Geschichte und Theologie wirklich beherrscht.“

Bibelstudium für Einsteiger, S. 42f

Aber es gibt, weil diese Forderung sekundär ist, einen Spielraum, ob man jemanden als lehrfähig oder nicht betrachtet. Wenn jemand versucht, die richtigen Dinge zu sagen, aber es selten bis niemals schafft, auf den Punkt zu kommen, dann sollte er besser nicht predigen. Doch wenn es nur gelegentlich vorkommt, kann er durchaus als Prediger geeignet sein, meint Leeman. Er bleibt in seiner Antwort bewusst vage.

Die Entscheidung darüber wird dann auch von den Umständen der jeweiligen Gemeinde geprägt sein. Nicht jede Gemeinde wird einen Prediger finden, der die biblischen Sprachen beherrscht oder ein theologisches Studium absolviert hat. Nicht jede Gemeinde hat eine Vielzahl von Männern, unter denen sie auswählen kann. Viele russlanddeutsche Gemeinden z.B. stellen nur Leute aus den eigenen Reihen ein. Damit verkleinert sich die Auswahl von selbst. Es gilt auch zu bedenken, dass nicht jeder Älteste die Sonntagspredigt halten können muss, wenn es bereits andere Älteste in der Gemeinde gibt die ihren Fokus genau darauf richten. Hier setzt auch Carlson an: Anstatt dass man in eine ungesunde Rivalität gelangt, weil man zu viele zum Predigen einsetzt, die nicht fähig dazu sind, sollte man die unterschiedlichen Begabungen nutzen und die jeweiligen Stärken fördern. Das wird befreiend für alle sein.

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