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Joshua Harris – Persönliche Überlegungen und Gedanken anderer

In meiner frühen Jugendzeit habe ich das Buch Ungeküsst und doch kein Frosch zumindest in Teilen mehrfach gelesen. Wenn ich mich richtig erinnere, war es mein Onkel, der mich auf dieses Buch aufmerksam machte und dafür begeisterte. Zumindest beschäftigte ich mich seitdem immer wieder mit dem Buch, weil mich das Thema damals sehr interessierte.

Als ich dann ein paar Jahre später mit meiner Frau in der Verlobungszeit das Nachfolgebuch Frosch trifft Prinzessin las, konnte ich nicht nachvollziehen, warum sie nicht die gleiche Begeisterung für das Buch aufbringen konnte wie ich. (Um über die Gründe zu sprechen ist hier nicht Raum). Als wir allerdings vor einiger Zeit bei Hanniel die Kolumne über die Trennung von Joshua Harris und seiner Frau lasen, waren wir gleichermaßen betroffen, tauschten uns immer wieder darüber aus und verfolgten gespannt auch weitere Nachrichten und Artikel von anderen über die Ereignisse um Joshua Harris.

Unabhängig von den aktuellen Ereignissen um Joshua Harris frage ich mich, warum ich nur die beiden oben genannten Bücher gelesen habe und nicht weitere, aus heutiger Sicht viel interessantere, z.B. Humble Orthodoxy oder Dug down deep. Vielleicht liegt es einfach daran, dass diese in Deutschland nicht vermarktet wurden.

Ähnlich wie mir ging es Steve Murrell, der in einem interessanten Artikel über Ungeküsst und doch kein Frosch schreibt: „Much of the legalism that writers (evangelical and otherwise) have rightly criticized, I did not experience in my youth group and did not find in the book when I read it twenty years ago.“ Auch ich fand das Buch damals sehr gut und konnte damals keine Gesetzlichkeit feststellen. Dieser Vorwurf wurde vor einiger Zeit gegenüber der „Purity Bewegung“ insgesamt und speziell den Büchern von Joshua Harris gegenüber geäußert. Im Zusammenhang mit der Doku von Joshua Harris I survived I Kissing Dating goodbye hat z. B. Tim Challies hier seine Bedenken geäußert.

Dagegen erinnere ich mich noch gut an den Traum von Harris erinnern, von welchem er in dem Buch erzählt. In dem Traum geht es um Jesu Umgang mit unseren Sünden.

Als ich den Artikel von Murrell las, konnte ich mich mit ihm in einigen Punkten identifizieren. Ich kann auf jeden Fall seine Betroffenheit nachvollziehen, die bei ihm einzog, als er am Strand im Familienurlaub die Nachricht von der Scheidung und „Entkehrung“ las.  Er berichtet, dass er daraufhin nachts nicht schlafen konnte. Er begann sich die veröffentlichten Bücher von Joshua Harris anzuschauen, als er über einen Titel und dessen Ironie stoplerte: Dug Down Deep: Building Your Life on Truths that Last (Deutsche Übertragung: Tiefer graben: Baue dein Leben auf Wahrheiten, die von Dauer sind). Er kaufte das Buch als Kindle-Version und fand folgende bemerkenstwerte Dankesworte:

  • First, Harris acknowledged his church: “the good people of Covenant Life, who make pastoring such a joy.”
  • Next, he acknowledged his pastor and mentor: “C.J. [Mahaney] for the irreplaceable part you played in this story.”
  • Later, he mentioned his close friends: “My T5G boys (Collin [Hansen], Justin [Taylor], Tullian [Tchividjian], and Greg [Gilbert], who listened to me talk endlessly about my writing voice, titles, and blurbs. May God answer our prayers in Asheville.”
  • Finally, Harris acknowledged his wife: “My sweet wife, Shannon, the love of my life. Thank you for serving me, putting up with me, and caring for our kids day in and day out… This book is done sweetheart! I’m ready to clean the basement and go camping now.”

Er stellt darauf treffend fest, dass Joshua Harris bei Herausgabe des Buches (2010) Beziehungen wichtig waren, die allesamt heute nicht mehr bestehen. Was ist mit Joshua Harris in der Zwischenzeit passiert, so fragt sich Steve Murrell und versucht eine chronologische Auflistung besonderer Ereignisse.

Joshuas Freunde

Gerade die von Harris in den Dankesworten genannten Freunde (plus Kevin DeYoung) haben kürzlich auch einen Artikel zu dieser Thematik verfasst, in dem sie schreiben, dass grundlegende Überlegungen gerechtfertigt seien, aber gleichzeitig warnten sie vor pauschalen Urteilen und vorschnellen Theorien:

When it comes to confident theories of what went wrong, we should tread lightly.

Man merkt ihnen ihre Anteilnahme und ihren Schmerz an, wenn sie schreiben:

No doubt, there have been a myriad of decisions (and we might say defections) in Josh’s soul over the past years. We don’t know the details of what has transpired. We don’t know the conversations, the tears, the possible hurt, the possible compromises. We don’t know what Josh’s next Instagram post might say. We can only imagine the pain this has caused for Josh’s family and oldest friends who are likely dismayed at the current trajectory.

Dennoch hegen sie Hoffnung für ihren alten Freund:

It would give us great joy to see our friend return to the gospel he proclaimed, the Bible he affirmed, and the Jesus he held out to others.

While we grieve Josh’s decision (and have told him as much), we are not without hope (and we’ve told him that as well). We will continue to call on the God of sovereign mercy, the God Josh once extolled and the God who still sits on the throne. We pray for our friend, for our churches, and for ourselves—that we may keep ourselves in the love of God (Jude 21), as God keeps us from stumbling (Jude 24).

Unsere Reaktion

Man könnte sicher noch viele Artikel und Meinungen hierzu finden. Gerade im englischsprachigen Raum ist Joshua Harris sehr bekannt. Und da er seine Entscheidung über die Scheidung und die Abkehr vom christlichen Glauben öffentlich bekannt gibt, ist es verständlich, dass jetzt auch öffentlich darüber gesprochen wird. Doch bei allen Fragen und Unsicherheiten, die entstehen und offen bleiben, sollte das Ganze zwei Reaktionen in uns hervorrufen:

  1. Demut: wir sind nicht besser als Joshua Harris 
  2. Gottvertrauen: wir müssen an Gott und dem Glauben an Christus festhalten

Wir sollten uns besinnen, dass wir Sünder sind und ganz abhängig von Gottes Gnade. Lasst uns deshalb immer wieder unsere leeren Hände zu Gott austrecken, damit er sie füllt und wir, um es mit den Worten Hanniels zu sagen, „Mit den Langzeitfolgen von Sünden aus der Kraft Gottes […]leben“

Zitat aus der bereits angesprochenen Kolumne.

6 Antworten auf „Joshua Harris – Persönliche Überlegungen und Gedanken anderer“

Es gibt viele Gründe, warum jemand zum Rückzug bläst. Es gilt genau zu prüfen und nicht pauschal zu sagen, da ist jemand abgefallen und zeigt nun, dass er nie wirklich dazu gehört hat. Ich würde das keinesfalls sagen oder behaupten! Wir sehen nichts ins Herz. Wir sind nicht die, welche Herz und Nieren prüfen (Jer 17).
Fakt ist jedoch, dass es etliche Gründe geben kann.
In meiner Zeit der theologischen Ausbildung lernte ich, dass Niedergeschlagenheit, Melancholie – heute bekannt als Depression ein wesentlicher Grund sein kann, warum jemand aufgibt.
Enttäuschungen spielen ebenso eine Rolle, wie das immer mehr werdende liebhaben der Welt. Die Spanne von Gründen, warum jemand „zurückgeht“ ist groß. Viele kommen nach einer Zeit wieder zurück. Sie durchleben eine schwere Zeit und leben nicht mehr in enger Gemeinschaft mit dem Herrn. Sie sind verlorene Söhne (und Töchter), kehren aber wieder um. Bei vielen Christen fällt das nicht weiter auf, weil sie keinen großen Bekanntheitsgrad haben, wie eben JH.
Beten wir für unseren Bruder und halten fest an der Wahrheit, dass niemand die echten Schafe aus Jesu Hand rauben kann.

SInd wir denn „einfach“ Sünder ? Sind wir denn nicht „begnadigte“ Sünder und unserer Stellung nach heilig, da wir in Christus sind ?
Das bedeutet ja nicht, laut Johannes, dass wir nicht mehr sündigen. Oder gar nicht von der Gnade abhängig sind. Ich denke momentan sogar, je bewusster wir uns unserer Stellung werden, desto klarer muss werden, wie ganz und gar abhängig wir von Gott und Seiner Gnade sind.

EIn Wort zu Niedergeschlagenheit, Melancholie und Depression.
Ich glaube, da kann ich mit reden.
Ich frage mich manchmal, ob – bis auf die Depressionen, die durch chemisches Ungleichgewicht im Körper ausgelöst werden oder das tiefe Erschöpftsein durch sehr anstrengende Ereignisse (Elia – Baalspriester) – Niedergeschlagenheit, Melancholie und Depressionen auch aus einer ganz versteckten, nicht durchschauten Art Undankbarkeit kommen können ?
Bevor ich zum Glauben kam, war ich zu Tode depressiv und aus welchen Gründen auch immer hat nur Gottes Gnade mich bewahrt, freiwillig aus dem Leben zu scheiden. Er hat dazu meine Eltern gebraucht, im Sinne von: das kann ich ihnen nicht antun, also: durchhalten.
Dann kam ich in einem sehr langen und umständlichen Prozess zum Glauben.
Nun war zumindest diese Depression auch „erlöst“, so möchte ich das mal nennen.
Nun habe ich wieder eine schwere Zeit – auch als Langzeitfolgen meiner früheren Sünden.
Wenn ich mir nun aber vor Augen führe und mich festklammere an das was gesagt ist im Wort Gottes: dass uns doch mit Jesus Christus alles gegeben ist, was wir zum Leben brauchen. Dass wir doch die lebendige Hoffnung haben über den Tod hinaus, ja dass der Tod das Tor zu Herrlichkeit ist … was will ich denn dann noch ?
Wenn ich mich an meine Fehler klammere und sage: jaklar, hätte ich damals… dann leugne ich doch Seine Gnade ! Und vergesse die unzähligen Segnungen, die ER mir jeden Tag zuteil werden lässt, von denen ich die meisten noch nicht einmal wahrnehme.

Und ist es nicht auffällig, dass grade die erfolgreichen Menschen – sowohl im weltlichen als auch im geistlichen Bereich – zur Niedergeschlagenheit und Melancholie und Depression neigen ?

Ich kenne JHarris nicht, habe das Buch „Ungeküsst und doch kein Frosch“ nicht gelesen, bzw angefangen zu lesen und nicht weiterlesen können. Es schien mir „zu amerikanisch“. Ich mochte das nicht. Es war irgendwie zu weit weg von meiner Lebenswirklichkeit.
Aber er war wohl insgesamt sehr erfolgreich.
Ich denke, es ist fast noch schwerer mit einem großen Erfolg umzugehen als mit einem normalen Leben.
Aber auch normale Christen sollten in ihren Gemeinden die haben, die diese Lasten der Depressionen mittragen. Geduldig sind. Zuhören und zur Dankbarkeit anleiten, was wir in IHM alles haben.
Vergessen wir in unserer Kompliziertheit und Intellektualität unseren Zeiten die Einfachheit dieser Worte:
„Danken schützt vor Wanken, Loben zieht nach oben.“
??????
Wie schwer war das Leben vieler Altvorderer ?
Vor allem auch für Frauen, zB .. als es noch nicht so einfach wie heute war, sich als Frau selbst ernähren zu können, durch einen Beruf.

Hallo Jutta,
danke für Ihren Kommentar und die ehrliche Mitteilung über Ihre persönlichen Erfahrungen mit Depressionen.
Das neueste Timotheus Magazin (https://www.cbuch.de/timotheus-magazin-nr-36-03-2019-der-fall-joshua-harris.html) beschäftigt sich mit dem Fall von Joshua Harris und auch mit dem Thema Depression.
Die ersten Seiten des Artikels zu JH kann man auch online lesen, was Sie aber offensichtlich auch schon entdeckt haben. 😉
Liebe Grüße
Viktor

Danke für diese Worte…ich stimme zu, dem Gefühl nach mit dem zu amerikanisch … und die Einfachheit mit Danke schützt vor Wanken, Loben zieht nach obwohl….Der Herr Jesus Christus segne dich

Hallo Vlad,
danke für diese Frage, die in diesem Zusammenhang sicher viele beschäftigt.

Hallo Thomas Lange,
vielen Dank für die schnelle und hilfreiche Antwort.

Ich würde noch ergänzen:
Klar ist, dass wir diese Frage nach dem Abfall des JH und auch bei Anderen nicht eindeutig beantworten können, da wir, wie Thomas geschrieben hat, nicht die Herzen prüfen können.

Grundsätzlich gibt es aber zwei mögliche Antwortrichtungen, wenn man die Bewahrung der Heiligen predigt:
1. Derjenige, der den Glauben absagt, war noch nie wirklich gerettet oder
2. er war gerettet und ist nicht wirklich abgefallen (was in der Antwort von Thomas angedeutet wird), kehrt also wieder eines Tages um

Beide Möglichkeiten werden deutlich in der Bibel belegt (zu 1: 1. Johannes 2, 19; zu 2: hier wird die durch viele Bibelstellen belegte Heilsgewissheit
/ das Ausharren der Gläubigen zu Grunde gelegt; vgl. Joh. 10; Eph. 1-2; Römer 8 etc.).
Die Warnungen (zB Hebräer 6) sind Mittel Gottes, uns zu bewahren, denn ein wesentliches Merkmal eines Christen ist, dass er Gottes Wort ernst nimmt und diesem gehorcht.

Wie schon im Artikel angesprochen, sollten wir mit pauschalen / voreiligen Erklärungen vorsichtig sein, deshalb möchte ich es dabei belassen, noch auf einen aktuellen englischen Artikel hinzuweisen, der sich mit dieser Thematik befasst (https://www.challies.com/articles/missing-elements-in-our-discussions-about-apostasy/) und auf die Überlegungen Al Mohlers, die man in deutsch auf theoblog finden kann, die mit den Worten abgeschlossen werden:
„Doch diese herzzerreißende Schlagzeile erinnert uns auch daran, dass wir unser Vertrauen auf keinen sündigen Menschen setzen können, sondern nur auf Christus, denjenigen, der allein unser Vertrauen verdient.“ (https://theoblog.de/die-tragoedie-von-joshua-harris-ernuechternde-gedanken-fuer-evangelikale/33907/).

Viele herzliche Grüße
Viktor Harder

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