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Geschichte & Menschen

„Bibliothek der Kirchenväter im Internet“

Im Zuge meiner Masterarbeit beschäftige ich mich zurzeit verstärkt mit den Texten der Kirchenväter, genauer: mit den spätantiken Kirchenvätern (3.-5. Jahrhundert). Ich empfinde es als Vorrecht, das Vergnügen (das Studieren der Kirchenväter) mit der Pflicht (Masterarbeit) verbinden zu können. Das Lesen der Kirchenväter ist aus mancherlei Hinsicht ein spannendes und gleichzeitig lohnendes Unterfangen: Zitate, die man in irgendwelchen Predigten mal gehört hat, in ihren Kontexten wiederzuentdecken (ich denke hier an die wohl am häufigsten zitierten Worte von Augustinus: „Unruhig ist unser Herz, bis es ruhet in dir“ aus dessen Bekenntnissen); die Herausbildung theologischer Lehrsätze – die uns so vertraut sind, dass wir nie an ihrer Wahrheit gezweifelt haben (z.B. die Christologie: „wahrer Gott“ und „wahrer Mensch“) – sich entfalten zu sehen; oder einfach die Erweiterung und Hinterfragung des eigenen Denkhorizontes (Kirche Jesu gibt es nicht erst seit Luther) sind Gründe genug, die alten Denker der Kirche von ihrem verstaubten Anstrich zu befreien und in unser Denken hineinzulassen.

Möchte man sich, nachdem man seine Vorbehalte einmal fallen gelassen hat, den alten Schätzen zuwenden, begegnet man einem Problem: Die Kirchenväter haben auf Griechisch und Latein (und Syrisch und einige weitere Sprachen) geschrieben, was heutzutage die wenigsten verstehen. Deswegen bin ich umso dankbarer dafür, dass sich seit dem 19. Jahrhundert verstärkt einige Philologen daran gemacht haben, zahlreiche dieser Texte zu übersetzen – was nicht zuletzt an der zunehmenden Unkenntnis gegenüber den alten Sprachen gelegen haben wird. Ein Übersetzungsprojekt möchte ich in diesem Kontext vorstellen, um dem geneigten Leser ein erstes Hilfsmittel in der Begegnung mit den Theologen alter Zeit an die Hand zu geben: die digitale Bibliothek der Kirchenväter (hier kommt ihr auf die entsprechende Seite).

Die BKV ist ein bereits in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gestartetes Projekt mit dem Ziel, „die vorzüglichsten christlichen Klassiker der Antike dem gebildeten katholischen Laien [ich plädiere an den protestantischen Laien, sich davon nicht abschrecken zu lassen] in einer guten, handlichen Ausgabe auf Deutsch zur Verfügung zu stellen.“ Dabei wurden nach und nach in zwei sich ergänzenden Ausgaben (1869-88 und 1911-38) insgesamt 161 Bände, ins Deutsche übertragen und mit Anmerkungen versehen, veröffentlicht (hier findet ihr eine vollständige Werkliste). Da diese aber für zahlreiche potentielle Interessenten nicht oder nur teilweise in irgendwelchen Bibliotheken zur Nutzung bereitstehen (selbst die Bibliothek der Universität Bielefeld hat in ihrem Bestand nur eine Auswahl), wurde im Jahr 2003 das Projekt der „Bibliothek der Kirchenväter im Internet“ (oder einfach Digitale BKV) ins Leben gerufen.

Die digitale BKV wird auf der Internetseite der Universität Freiburg in der Schweiz unter der Leitung von Gregor Emmenegger betrieben. In ihr werden sukzessive Werke aus der (analogen) BKV sowie aus einer älteren Werkreihe („Sämtliche Werke der Kirchenväter, aus dem Urtexte ins Deutsche übersetzt“ (1831–1854; SWKV)) digital zur Verfügung gestellt. Der aktuelle Bestand enthält bereits weit über 200 Werke, u.a. auch die wichtigsten Apologien frühchristlicher Autoren (wie Tertullian und Justin) und zehn Werke des Augustinus (z.B. De civitate Dei, in dem sich Augustinus gegen die Vorstellung einer Gleichsetzung von Römischem Imperium und Reich Gottes wendet). Eine besonders wertvolle Funktion, die die digitale BKV bietet, ist, dass die Texte neben dem Lesen online auch als Word-Dokument im .rtf heruntergeladen werden können. Das ermöglicht dem Leser die Dokumente über die Suchfunktion nach bestimmten Begriffen zu scannen (was zum Beispiel im Rahmen einer Masterarbeit sehr hilfreich sein kann).

Auch wenn die BKV (weder die analoge noch die digitale) keine vollständige Sammlung von Kirchenvätertexten ist – ich persönlich vermisse unter anderem Augustinus‘ Psalmenauslegungen – und auch das Lesen auf dem Bildschirm „nie mit den alten, wunderbar aufgemachten Büchern mit Goldschnitt und Ledereinband mithalten [kann]“ (Gregor Emmenegger), ermöglicht die „Bibliothek der Kirchenväter im Internet“ mit ein paar Klicks vielfältige Einblicke in das Denken der alten Kirchenlehrer – was nicht nur für den Katholiken von unschätzbarem Wert ist. In meinem nächsten Beitrag möchte ich Appetit auf mehr machen, indem ich drei Kirchenväter selbst zu Wort kommen lasse – zum Fasten.

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