Vor einiger Zeit wurde in einem Kommentar zu einem Artikel von Harry angeregt, eine Liste mit Buchautoren zu erstellen, von denen junge Menschen sich prägen lassen können.
Ich möchte auf diese Anregung antworten mit einem ersten Artikel, in dem ich beschreibe, welche Autoren mich persönlich geprägt haben. Dabei möchte ich mich hier nur auf drei beschränken, haben sie in der Liste der Autoren, die mich persönlich prägten, einen besonderen Stellenwert.
Zur Einordnung: Wie haben sich meine Lesegewohnheiten entwickelt?
Ich kann mich eigentlich an keine Zeit erinnern, in der ich ungerne gelesen habe. Sobald ich das Lesen in der Schule erlernte, fing ich auch freiwillig und selbstständig an, mir Bücher zu suchen und diese zu lesen. Oft nahm ich mir beim Abschied eines Besuchs bei meinen Großeltern ein Buch mit, was ich daraufhin las. Dabei waren es größtenteils christliche Kinder- oder Jugendbücher, die mich anzogen (Der Weg nach Luv, Die Schwärmer und weitere Bücher ähnlichen Stils). Auch Klassiker wie Robinson Crusoe oder auch Karl May Romane, aber auch Bücher von James F. Cooper (mein Vater weckte dafür mein Interesse) und andere Indianer- und Wilder-Westen-Geschichten verschlang ich.
Zwischendurch, doch sehr selten, las ich Biografien von Christen. Diese packten mich damals nicht (eine Ausnahme war Im Schatten des Allmächtigen). Noch seltener las ich theologische Sachbücher. Dies sollte sich mit dem Lesen eine Buchs von Siegfried Kettling ändern.
„Typisch evangelisch“, Siegfried Kettling
Das Buch Typisch evangelisch von Siegfried Kettling war das erste Sachbuch, das ich mit großem Interesse las und das einen großen Eindruck auf mich hinterlassen hat. Wie kam es zu dieser Lektüre? Vor ungefähr zehn Jahren wurde ich auf den TheoBlog von Ron Kubsch aufmerksam und las regelmäßig die Artikel und verfolgte gespannt die Diskussionen im Kommentarbereich. Unter einem Videomitschnitt, in dem Tim Keller und John Piper über den Zusammenhang von Rechtfertigung und Heiligung diskutierten, entfachte sich eine längere Debatte in den Kommentaren. Es ging dabei darum, ob Heiligung eine Folge oder eine Bedingung der Rechtfertigung eines Gläubigen ist. Aufmerksam las ich die Argumente der Kommentatoren. Mal überzeugte der eine, mal der andere. Ein Kommentator mit dem Namen „Schandor“ ging soweit zu behaupten, dass Keller und Piper sich mit dem Verhältnis von Rechtfertigung und Heiligung schwer tun würden: „Immer müssen sie darauf hinweisen, wie wichtig die Heiligung ist. Man bekommt den Verdacht, sie wünschten, dass es nicht die Rechtfertigung sei, was rechtfertigt, sondern lieber die liebe Heiligung!“ Dann verwies er, eigentlich nur nebenbei, auf das Buch Typisch evangelisch: „Wie erfrischend, erleichternd und klar ist da so ein Büchlein wie das von Siegfried Kettling (der da wesentlich klarer sieht).“
Da ich noch nie etwas von dem Autor gehört hatte, war ich zunächst skeptisch. Aber gleichzeitig war die Neugier mit einer weiteren Bemerkung Schandors geweckt: „Ja, Siegfried Kettlings Buch ist ein stilistischer Hochgenuss. Dieser Mann kann schreiben wie kein Zweiter.“ Die Neugier siegte: Ich bestellte mir ein Exemplar des Buches bei Booklooker. Beim Lesen merkte ich recht schnell, dass Kettling Germanist und Theologe ist. Seine Sätze waren wortgewandt und in schöner, gut lesbarer Sprache verfasst. Die zum Teil pietistische und stark lutherische Prägung war unverkennbar.
Das Buch forderte mich heraus, da ich ganz neue Begriffe kennenlernte, wie zum Beispiel extra nos:
„Das ist der Grund, warum unsere Theologie Gewissheit hat: Sie reißt uns von uns selber weg und stellt uns außerhalb unser (extra nos), so daß wir uns nicht auf unsere Kräfte, Gewissen, Sinn, Person, auf unsere Werke stützen, sondern auf das, was außerhalb unser ist, nämlich auf die Verheißung und Wahrheit Gottes, der nicht täuschen kann“
Luther in seiner Galater-Auslegung; WA; S.228; gelesen in Typisch evangelisch S. 22f
Ich lernte, Heiligung nicht von der Rechtfertigung zu trennen und wie beides zusammengehört: die Rechtfertigung ist Basis der Heiligung. Die Reihenfolge darf nicht umgekehrt werden:
„‚Im Tal‘, dort wo ich den Alltag meines Christseins lebe, bleibe ich der Befleckte, trage im Kampf tiefe Wunden davon. Aber – das meint Rechtfertigung als Freispruch – ich darf immer wieder auf den Berg fliehen, in jene feste Burg, die da heißt: Christus für mich! […] Von dieser Zuflucht zu dem ganz und gar vollendeten, dem ewig perfekten Gnadenwerk Christi leben wir. Heiligung kann darum immer nur von der Rechtfertigung leben“
Typisch evangelisch, Seite 30
Während ich die ersten zwei Kapitel mit Genuss las, machte mir damals das Kapitel 3 („Vom unfreien Willen“) sehr zu schaffen. In diesem kommentierte und erklärte Kettling das gleichnamige Buch Martin Luthers . Konnte es wirklich sein, dass der Mensch keinen freien Willen hat? Hatte nicht ich mich dafür entschieden, Christ zu werden? Ich weiß noch genau, wie mich diese Fragen tief bewegten, mich nicht losließen und an meinem Stolz kratzten. Ich wollte das Buch an der Stelle zunächst an die Seite legen und das Lesen einstellen. Doch ich blieb dran und las weiter, wenn auch mit einer etwas kritischeren Haltung. Die ganz existentiellen Fragen nach Gerechtigkeit durch Glauben und Rechtfertigung vor dem heiligen Gott, die mich damals stark beschäftigten, konnten durch das Buch beantwortet werden und so zog ich für mich das Fazit, dass das Buch voller Froher Botschaft – eben typisch evangelisch – war. Ich begann zu verstehen, dass kein Mensch frei ist in seinem Willen Gott gegenüber ist. Dass Gott das Wollen schenken muss, wie es prägnant in Philipper 2, 12-13 formuliert wird.
Daraufhin steckte ich auch Freunde von meiner Begeisterung an (siehe hier und hier). Ich bestellte mir alle Bücher von Siegfried Kettling, die ich günstig erwerben konnte, und las ein Buch nach dem anderen. Immer wieder kam das Evangelium zur Sprache, zum Beispiel wenn er in Toleranz und Wahrheit den beiden Begriffen etymologisch nachgeht und feststellt, dass beides vollkommen in unserem Herrn Jesus Christus zu finden ist. Oder wenn er in dem langen Buch Du gibst mich nicht dem Tode preis den Themen Ewigkeit, Tod und Leid nachgeht, indem er den frühen Tod seines Sohnes verarbeitet und die lebendige Hoffnung, die wir Gläubigen durch Christus haben, groß macht.
„Christus allein“, Bernhard Kaiser
Das für einen Christen grundlegende Thema der Rechtfertigung und sein Zusammenhang mit Heiligung wurde beim Lesen von Büchern eines weiteren Autoren vertieft: Bernhard Kaiser. Sein mit unserem Blog namensverwandtes Buch Christus allein lernte ich kurz nach Typisch evangelisch in einem Lesezirkel kennen. Seine programmatischen Kapitel „Rechtfertigung und Heiligung im Opfer Christi“ oder „Heiligung – Frömmigkeitsstress oder Leben aus Glauben?!“ schärften meinen Blick weiterhin auf das Wesen des Glaubens. Ich erkannte den hohen Wert von Christus als unserem Stellvertreter. Um es in einem Zitat Kaisers zum Ausdruck zu bringen:
„Diese Deklaration Gottes gegenüber dem Sünder [gemeint ist die Rechtfertigung des Sünders], der an Jesus glaubt, ist kein So-Tun-Als-Ob, weil Gott gerade die Tat Christi in Betracht zieht. Gott hat also nichts Unrechtes, weil er Christus vor Augen hat, wenn er uns vergibt.
Christus allein, Seite 20; Anmerkung und Hervorhebungen von mir
„Was am Kreuz geschah“, R. C. Sproul
Ich möchte hier noch einen dritten Autoren nennen, der mich besonders prägte. Obwohl ich einige Bücher und Predigten von ihm las bzw. hörte, sei an dieser Stelle ebenfalls nur ein Buch hervorgehoben: Es geht um R.C. Sproul und sein Werk Was am Kreuz geschah. Obwohl auch dieses Buch in gewisser Weise themenverwandt mit den ersten beiden Büchern aus diesem Artikel ist, nimmt es eine etwas andere Perspektive ein. Der Fokus liegt zunächst mehr auf dem gerechten Gott und dem Stellvertreter Christus. Und in der Konsequenz behandelt es auch das Thema der Rechtfertigung und seiner Beziehung zur Heiligung:
„Er [Christus] ist unser Retter, nicht nur weil er gestorben ist, sondern weil er vor seinem Tod ein sündloses Leben geführt hat, wie es nur der Sohn Gottes leben konnte. […] Ein Mensch, der in Christus ist, ist zur gleichen Zeit ein Sünder und gerecht. Wenn ich nur dadurch gerechtfertigt werden könnte, dass ich wirklich gerecht werde und keine Sünde mehr in mir wäre, so würde ich das Reich Gottes niemals sehen. […] Es ist Christi Gerechtigkeit, die mich gerecht macht. Sein Tod hat meine Strafe erledigt, sein Leben hat meinen Lohn eingebracht. So ist meine Gerechtigkeit voll und ganz mit Christus verknüpft.“
Was am Kreuz geschah, Seite 112
Ich kann die drei Autoren herzlich empfehlen.