Einleitung zur Artikelreihe: Mit der Reihe „Bedeutende Ereignisse mennonitischer Geschichte“ möchte ich anhand einiger wesentlicher Jahreszahlen einen groben Rahmen liefern, um die Geschichte der Russland-Mennoniten zu erfassen. Meine Absicht ist es vor allem bei denjenigen, die Nachfahren dieser Gruppierung sind oder sich hierzu zählen, Interesse an ihrer Geschichte zu wecken und zugleich Schubladen im positiven Sinne zu bieten, in die sie ihr bisheriges Wissen einsortieren können. Bisher sind in dieser Reihe Artikel zu den Jahren 1525, 1527, 1530, 1789, 1860 und 1869 erschienen.
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Im Jahre 1902 wird eine Arbeit fertiggestellt, die kaum Beachtung erfahren hat und doch von besonderer Bedeutung ist: Das erste und einzige deutsche Glaubensbekenntnis in Russland wird formuliert und unter dem Titel „Glaubensbekenntnis der Vereinigten Christlichen Taufgesinnten Mennonitischen Brüdergemeinde in Russland“[1] veröffentlicht. Das Werk umfasst zehn Glaubens-Artikel auf 69 Seiten und beinhaltet interessanterweise einen Schlussteil in deutscher als auch russischer Sprache.
1902 | Veröffentlichung des Glaubensbekenntnisses der MBG
Jacob Thiessen sieht zwei Gründe aus denen ein derartiges Bekenntnis von großer Wichtigkeit ist: Erstens gibt es Orientierung dabei, das Leben nach Gottes Willen anzulegen und zweitens gibt es Schutz vor Irrlehre, ähnlich einer Leitplanke an einer Böschung. Über die Bedeutung des Bekenntnisses für die Mennoniten zu Beginn des 20. Jahrhunderts sagt Otto Wiebe:
Das Glaubensbekenntnis war eine große Hilfe für die Gemeinden in der Orientierung und Festigung des gemeinsamen Glaubens. Auch dieses ordnende Werk unserer Glaubensväter ist ein teures Erbe, das über Generationen hinweg bis in die Gegenwart hinein wertvolle Dienste geleistet hat.[2]
Dieses Bekenntnis ist nach John N. Klassen vermutlich das einzige, welches die Aussiedler mitgebracht haben, als sie ab den 70-er Jahren Russland den Rücken kehrten und nach Deutschland heimgekehrt sind.[3] Dass dieses Bekenntnis auch heute noch Relevanz besitzt, zeigt sich zum einen darin, dass sich das Bekenntnis des BCD (Bund der Christengemeinden in Deutschland) inhaltlich und formal stark an dieses Bekenntnis anlehnt. Zum anderen ist die Bedeutung auch darin zu erkennen, dass der Verlag Hirtenstimme anlässlich des 100-jährigen Bestehens dieses Dokuments eine überarbeitete Neufassung aufgelegt hat. Dieses Werk ist nach Klassen, „eine literarische und konfessionelle Meisterleistung und aller Anerkennung wert.“[4]
PS: In einigen Wochen folgt der dritte und letzte Teil dieser Reihe, in dem es um bedeutende Ereignisse im 20. Jahrhundert gehen wird.
[1] Das Bekenntnis ist hier freundlicherweise der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt: http://chort.square7.ch/Pis/MBG1902.pdf
[2] Wiebe, Otto; „Mennoniten-Brüdergemeinde“ S.34
[3] Klassen, N. John; „Russlanddeutsche Freikirchen in der Bundesrepublik Deutschland“ S.250
[4] Klassen, N. John; „Russlanddeutsche Freikirchen in der Bundesrepublik Deutschland“ S.122