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Bibel & Theologie

Sicher in Gottes Hand?!

In Johannes 10,27-30 spricht Jesus von seinen Schafen und gibt ihnen eine herrliche Zusage:

Meine Schafe hören meine Stimme, und ich kenne sie, und sie folgen mir; und ich gebe ihnen ewiges Leben, und sie gehen nicht verloren in Ewigkeit, und niemand wird sie aus meiner Hand rauben. Mein Vater, der sie mir gegeben hat, ist größer als alle, und niemand kann sie aus der Hand meines Vaters rauben. Ich und der Vater sind eins.

Ich bin mit einem Bild aufgewachsen, das diese Stelle wie folgt erklärt: „Ja das stimmt, niemand kann uns aus Gottes Hand reißen – aber ich selbst kann mich aus seiner Hand reißen.“ Begründet wird dies dann mit dem „freien Willen“ des Menschen und dass es ja in jeder Beziehung so sei. Dahinter steht, das möchte ich nicht abstreiten, eine gute Absicht: Man möchte vermeiden, dass der Christ in „billiger Gnade“ lebt und seinem früheren Leben nachgeht, in der Meinung, er sei ja fest in Gottes Hand. Doch rechtfertigt dieser Vers eine solche Auslegung oder untergräbt sie vielmehr eine wunderbare Verheißung?

Diese Erklärung birgt zwei Probleme: Zum einen wird der Fokus, den Jesus ganz bewusst auf sich und den himmlischen Vater lenkt, auf den Menschen verschoben. Zum anderen, so finde ich, vermittelt sie uns ein falsches Bild von Gott und von uns Menschen.

Schauen wir uns den Kontext genauer an: Jesus richtet sich in dieser Rede an Menschen, die ihm feindlich gesinnt sind. Es handelt sich um ein größeres Streitgespräch, das schon in Kap. 8 seinen Anfang nimmt (außerdem kommt es bereits in Kap. 6 zu einem Streitgespräch). Sein Gegenüber sind Menschen, die scheinbar an ihn glauben, die sich im Kern aber nur aufgrund ihrer Herkunft zu Gottes Volk (Herde) zugehörig sehen. Im Gegensatz dazu wollen sie nicht akzeptieren, dass er der Messias ist, ja: dass er Gott ist. Aufgrund dieses Anspruchs heben sie nur ein wenig später Steine auf, um ihn zu steinigen (vgl. 8,31 mit 8,59). Diesen Menschen stellt Jesus das Zeugnis aus, dass sie nicht Gott, sondern den Teufel zum Vater haben (8,44). Den Pharisäern wendet sich Jesus zu und sagt ihnen, dass sie noch in ihren Sünden sind (9,41). Und dann, am Anfang von Kapitel 10 macht Jesus diesen Menschen deutlich, dass er die Tür ist, durch die man hindurchgehen muss, um gerettet zu werden und ein Teil von Gottes Herde zu werden. Er selbst ist der gute Hirte, der sein Leben für die Schafe gibt. Er ist es, der Gottes Herde anführt, sie zur Weide bringt und ihnen Leben im Überfluss gibt (vgl. Psalm 23).

Jesus definiert dabei, welche Schafe es sind, die er als der gute Hirte anführt: Diese Schafe wurden bei ihrem Namen gerufen und sie kennen und hören auf die Stimme des guten Hirten und folgen ihm nach (V. 4-5). Es sind seine Schafe, die er kennt, die er ruft, die ihm folgen, denen er ewiges Leben gibt und die ewige Sicherheit in seiner und der Hand seines Vaters haben (V. 27-29). Was bemerkenswert ist: Jesus formuliert diese Worte hier nicht als Aufforderung, sondern vielmehr als Tatsache. „Die wahren Kinder Gottes, die echten Schafe seiner Herde, folgen dem Hirten, den dieser Gott gesandt hat – was ihr nicht tut, folglich gehört ihr trotz eurer Abstammung nicht dazu“ – das ist es, was Jesus hier seinen Zuhörern vorhält. Er sagt ihnen frei heraus, dass sie nicht glauben, weil sie nicht zu seinen Schafen gehören (V. 26)! Es gilt, genau hinzusehen: Jesus sagt nicht, dass sie nicht zu seinen Schafen gehören, weil sie nicht glauben, sondern sie glauben nicht, weil sie nicht zu seinen Schafen gehören (vielmehr hassen sie ihn und wollen ihn auch nach dieser Rede töten!).

Zu behaupten, dass ein Schaf sich aus der Hand des Hirten losreißen könnte, ist unter Berücksichtigung des Kontexts völlig fehl am Platz. Vielmehr sagt Jesus, dass seine Schafe, die er bei ihrem Namen gerufen hat, sich gerade dadurch auszeichnen, dass sie eben auf seine Stimme hören – und diese seine Schafe werden in Ewigkeit nicht mehr verloren gehen. Warum nicht? Weil sie von dem guten Hirten und von seinem Vater, der größer ist als alles, gehalten werden. Jesus gibt hier eine doppelte Sicherheit: Nicht nur er, sondern auch sein Vater garantieren die Sicherheit der Herde Gottes. Diese beiden sind nach V. 30 eins – in ihrem Wesen und in ihrem bewahrenden Handeln (man vergleiche auch die Verse aus Römer 8,35-39, wo den Gläubigen von Paulus dieselbe doppelte Sicherheit zugesprochen wird).

Warum beraubt man sich diesen Trostes und verschiebt den Fokus auf das Schaf anstatt auf den guten Hirten? Es kommt mir manchmal so vor, als ob man sich dabei sicherer fühlt, wenn man selbst noch etwas in der Hand hat – ja als ob man am Ende vor Gott sagen kann: „Siehst du, hier stehe ich, weil ich mich an dir festgehalten habe.“

Machen wir uns doch nichts vor (und damit komme ich dazu, dass diese Erklärung ein falsches, bzw. ein zu gutes Bild von uns Menschen zeichnet): Es ist doch nicht so, dass wir nach unserer Bekehrung schon vollendet und Gott immer gehorsam wären. Wenn man den Fokus auf den Menschen verschiebt, kann das damit zusammenhängen, dass man nicht verstanden hat, wie radikal verdorben wir sind und dass in unserem Fleisch nichts Gutes wohnt (Röm 7,18). Auch als Kinder Gottes widerstreben wir Gott immer wieder und fallen in Sünde. Ja, wir gehen oft leider immer noch unseren selbstsüchtigen Wünschen nach und meinen es besser zu wissen. Doch der Unterschied zu früher ist, dass wir dieses nicht mehr wollen (Röm 7,15). Aber unser Herz befindet sich immer wieder in der Abkehr vom lebendigen Gott und rebelliert. Schon Asaph hatte das verstanden – doch seine Hoffnung war, dass er trotzdem von Gott gehalten wird (vgl. hier meinen Beitrag zu Psalm 73).

Damit hängt auch das falsche Bild über Gott zusammen: Bei der anfangs angeführten Auslegung wird Gott letztlich nur als der Reagierende dargestellt. Solange wir uns festhalten, hält Gott uns auch fest. Lassen wir uns los – ja dann hat Gott „Pech gehabt“. Dabei ist es doch vielmehr so, dass Gott der Agierende ist: Er ist es, der uns gerufen hat und der uns fest im Griff hat. Er ist es, der uns verändert und uns befähigt, nach seinem Willen zu leben. Gott kündigt es schon im Alten Testament an, dass der neue Bund beinhaltet, dass ER ein Herz schenkt das bereitwillig auf seinen Wegen geht (Jer 31,33; Hes 36,26-27). Dieses war uns früher in unserem geistlich toten Zustand nicht möglich, doch nun befähigt er selbst uns dazu. Aber diese Heiligung ist zeitgleich auch ein Prozess – und in diesem Prozess kommt es auch vor, dass Gott uns aus Liebe züchtigen und zurechtweisen muss, damit unser Wille immer mehr gebrochen wird (Hebräer 12,4-11). Wo aber lesen wir davon, dass er uns einfach loslässt, nur weil wir es gerade wollen? Vielmehr werden in der Kraft Gottes durch Glauben zum Heil bewahrt (vgl. 1. Petr 1,5).

Es ist für ein Schaf aus Gottes Herde somit nicht möglich, dauerhaft in Sünde zu leben, weil Jesus selbst seine Schafe als „folgsam“ beschreibt und weil der Christ eine neue Ausrichtung von Gott bekommen hat und seine Zucht erfährt. Daher finde ich, dass mit der obigen Erklärung die Passage aus Johannes 10 untergraben wird. Jemand, dessen Leben keine Abkehr von der Sünde zeigt, der weiter gerne in seiner Sünde lebt und dem guten Hirten nicht folgt, kann demnach nicht sagen, dass er in der Hand des guten Hirten ist!

Und so möchte ich nach dem Befund der Bibel auch ein Bild verwenden, welches ich schon einige Male als Veranschaulichung in meinem Freundeskreis gebraucht habe. Dieses Bild ist in seiner Form sehr einfach (fast schon kindgerecht), aber m.E. von der Sache her näher dran an den Versen aus Johannes 10,27-29 als eingangs angeführte Erklärung:

Man stelle sich vor, dass Vater und Kind auf der einen Seite des Bürgersteigs einer viel befahrenen Hauptstraße unterwegs sind. Plötzlich erblickt das Kind auf der anderen Straßenseite etwas, was seinen Blick total gefangen nimmt. Es zerrt nun mit aller Macht, um sich aus der Hand des Vaters zu befreien um auf die andere Seite laufen zu können. Was wird der Vater tun? Wird er sein Kind loslassen, nur weil es jetzt auf die andere Seite der Straße möchte, in dem Wissen, dass wenn er es tut, sein Kind in den sicheren Tod laufen wird? Wenn ich an meinen Vater zurückdenke, so weiß ich, dass er seine Hand viel fester zudrücken würde.

Die Bibel berichtet uns davon, dass wir als Gläubige einen vollkommen guten himmlischen Vater und einen vollkommen guten Hirten als unseren Führer haben, die uns beide festhalten. Im Bild gesprochen wird unsere Widerspenstigkeit auch manchmal dazu führen, dass die „freie Hand“ Gottes ausholt und uns züchtigen wird. Aber wir dürfen glauben, dass keines von den Schafen Jesu verloren gehen wird – nicht, weil wir uns so an ihn geklammert haben, sondern weil er uns gerufen, zu seinem Eigentum erklärt und uns festgehalten hat. Unser Herr sagt in Johannes 6,39:

Dies aber ist der Wille dessen, der mich gesandt hat, dass ich von allem, was er mir gegeben hat, nichts verliere, sondern es auferwecke am letzten Tag.

Mein Wunsch und Gebet ist, dass du dich nicht dazu verleiten lässt, diese Zusagen Gottes zur Spekulation zu gebrauchen, sondern dass du sie dafür verwendest, wozu sie gedacht sind: Zum Trost und zur Ermutigung der Schafe Gottes.

4 Antworten auf „Sicher in Gottes Hand?!“

Lieber Jürgen, ich habe mich gefreut, dass du mit diesem Beitrag die Blicke der Geschwister auf Christus und Gott den Vater richten willst. Da bin ich absolut mit dir. Auch deinem Unmut, dass man in das vom Herrn verwendete Bild etwas hineininterprätiert, was der Text nicht klar sagt, pflichte ich bei. Und dein aufrichtiger Wunsch, den Bibeltext in seinem historischen Zusammenhang genau zu untersuchen, erfreut mich sehr! Ich vermute dabei, dass dir die Tatsache gar nicht bewusst ist, dass deine Ausführung etwas über das Ziel hinausschießt. Du unternimmst zwar einen Versuch, die Verantwortung des Menschen (so wie du sie verstehst) aufrecht zu erhalten, doch hat der Text m. E. viel mehr dazu zu sagen. Darum empfehle ich dir, im Text nach Antworten auf folgende Fragen zu suchen.
1. Wie wird jemand zu einem Schaf Christi? Siehe dazu das von dir leicht angeschnittene Ich-bin-Wort, die Wenn-Bedingung und die dazugehörige Verheißung.
2. Wem genau gilt die Verheißung der ewigen Sicherheit? Siehe dazu die Charakteristiken der Schafe Christi.
3. Aus P. 1 ergibt sich: Was ist in der Tat die Botschaft des Herrn, wenn er sagt: „…ihr seid nicht von meinen Schafen“? Kann es nur heißen: „Ihr wart es nie und werdet es nie sein“?
4. Aus P. 2: Soll es wirklich so sein, dass, wenn man auf den Herrn schaut, man jeder kritischen Selbstbetrachtung entledigt sein soll?
Jürgen, ich freue mich auf deine Rückmeldung! Gott segne dich!

Lieber Max, vielen Dank für deine aufrichtige und konstruktive Kritik. Ich möchte gerne mit derselben Haltung zu deinen Fragen Stellung nehmen und versuchen, in Kürze darauf einzugehen (da sich manches überschneidet, werde ich nicht strikt chronologisch vorgehen):

Es ist klar, dass es nur über den Glauben an Jesus Christus möglich ist, gerettet zu werden und ein Teil von Gottes Herde zu werden – ich denke, dass ist es was Jesus mit dem Ich-bin-Wort am Anfang von Johannes 10 sagen möchte. Aber auch hier ist der Kontext zu beachten, denn Jesus spricht ja gerade zu solchen, die sich aufgrund ihrer Herkunft und Religiosität schon für errettet halten und dabei ihn, den einzigen Weg zu Gott, ablehnen. Im Gegensatz dazu spricht Jesus von seinen eigenen Schafen, die er bei bei ihrem Namen ruft und hinausführt (V.3). Diese Schafe hören seine Stimme (d.h. sie glauben ihm) und folgen ihm nach. Ich glaube, das Jesus hier nichts weniger als die Erwählten Schafe Gottes im Blick hat, die auf seine Botschaft mit Glauben reagieren werden, Vers 16 unterstreicht diese These (ich bin mir dabei aber bewusst, dass du die Auffassung von der Erwählung, die ich hier anführe, höchstwahrscheinlich trotzdem nicht teilen wirst). Schon Psalm 100,3 spricht davon, dass Gott Menschen zu seinen Schafen macht. Aber Jesus spricht in Vers 26 auch von Menschen, die nicht seine Schafe sind und deswegen auch nicht glauben -> was nicht bedeutet, dass Gott für den Unglauben des Menschen verantwortlich wäre, das macht die Bibel an vielen anderen Stellen deutlich. Auch wenn diese Auffassung für uns Menschen logisch nicht ganz zusammenzubringen ist, komme ich nicht drumherum, Jesu Worte hier so stehen lassen zu müssen, weil er es selbst klar so sagt.

Wie ich es auch schon in dem Artikel erwähnte, zeichnen sich Jesu Schafe dadurch aus, dass sie auf die Stimme des guten Hirten hören (indem sie auf seine Botschaft mit Glauben reagieren) und folgsam sind. Sie folgen keinem falschen Hirten nach, sondern bleiben bei dem Hirten, den sie kennen (auch dieses erwähnt Jesus als Tatsache). Dieses sind die Erkennungsmerkmale der wahren Schafe Gottes – erneut im Gegensatz zu den Leuten, mit denen Jesus das Gespräch führt.

Oft wird, gerade wenn man diese Verheißung erwähnt, gesagt: „Ja, aber schau dir den und den an, der war auch mal dabei und jetzt nicht mehr.“ Und die Schlussfolgerung ist dann, dass wir uns also doch selbst losreißen können – speziell dieses meinte ich, als ich schrieb, dass wir diese Stelle nicht zum Spekulieren gebrauchen sollten (das hätte ich vllt. sofort in dem Artikel genauer ausführen sollen). Mir ging es eben wie gesagt konkret um diese Verheißung aus Johannes 10,27-30, aber meine Absicht war es nicht, die Verantwortung des Menschen und jegliche Selbstreflexion auszuklammern, das habe ich in keiner Zeile geschrieben. Mein Augenmerk war vielmehr darauf gerichtet, auf welcher Basis dieses geschehen soll: Soll es durch die Abschwächung von Gottes Verheißungen geschehen – oder indem man Gottes Verheißungen (und gleichermaßen die Warnungen und ernsten Aufrufe) hoch hält und sich davon ermutigen und antreiben lässt? Eine der Schlüsselstellen für mich in diesem Zusammenhang ist – ohne es jetzt hier näher ausführen zu wollen – Philipper 2,12.13.
Nur ist es, lieber Max, genau dieses, was mich immer wieder verwundert und was ich schon in so einigen Gesprächen selbst erlebt habe: Das wenn man versucht, Gottes Gnade groß zu machen (insbesondere in seiner Bewahrung der Gläubigen), ein anderer aufsteht und einem unterstellt wird, man hätte gesagt, dass jegliche Selbstprüfung nun unnötig sei (und was dann oft damit zusammenhängt: Dass man jetzt leben könne, wie man gerade Lust hat). Dabei ist genau das Gegenteil der Fall und das habe ich – so gut es eben für so einen Artikel und in dem Rahmen geht – versucht deutlich zu machen.

Mein Wunsch ist wie gesagt, dass diese Verheißung zur persönlichen Ermutigung beiträgt und zu einem ausdauernden Lauf antreibt – und ich glaube, dass Gott dieses bei seinen Schafen auch bewirken wird.

Herzliche Grüße und in Christus verbunden,
Jürgen.

Danke Jürgen, für deine Antwort. Wie du recht bemerkst, unterscheiden sich unsere Verständnisse der Erwählung. Wenn bei dir der Wunsch besteht, können wir uns darüber in einem anderen Rahmen unterhalten.
Zwei grundsätzliche Punkte, wo ich die Unterschiede sehe, sind folgende.
1. Ich sehe in der Schrift keine eindeutig zu erkennende Teilung der Menschheit in ewig Erwählte und ewig nicht Erwählte (auch nicht in Röm. 9), sondern vielmehr in Gläubige und Ungläubige. Andernfalls haben wir auch im Johannes-Evangelium exegetische Schwierigkeiten (vergleiche deine Aussagen „man wird durch Glauben Teil von Gottes Herde“ und „mit den Schafen sind Gottes [ewig] Erwählte gemeint“)
2. Ich sehe den biblischen Fokus weder nur auf dem Menschen, noch nur auf Gott (das Letztere ist aus meiner Sicht kaum hilfreicher als das Erstere). Der Fokus liegt auf der Beziehung Gott-Mensch-Gott (der von dir gewählte Text ist ein wunderbares Beispiel davon). Wenn diese Beziehung gesund ist, nur dann ist sowohl wahre Heilsgewissheit, als auch echte Heiligung möglich bzw. sogar garantiert. In diesem Lichte ist m. E. auch Röm. 8 zu verstehen.

Worum es mir aber in erster Linie geht:
Ich gebe dir wiederum Recht, man dürfe nicht mit Unterstellungen hantieren wie z. B. man würde meinen „man kann alles machen was man will“. Wenn man dabei im Gegenzug darauf verzichten würde, jedem Selbstgerechtigkeit vorzuwerfen, der das monergistische Schriftverständnis (und Weltbild) nicht teilt (en etwa, man würde sich vor Gott an die Brust schlagen: „ich bin so toll, ich habe geglaubt“), wäre für die Einheit des Leibes Christi schon viel getan.
Jürgen, ist es nicht das, was in erster Linie zählt?

Hallo Max,
danke für deine Anmerkung. Ich stimme dir zu, dass mit Pauschal-Verurteilungen niemanden geholfen ist, dazu sollte auch mein Beitrag sicher nicht dienen. Ich habe lediglich gesagt, dass es mir – aus persönlich erlebten Diskussionen – „manchmal so vorkommt, als ob man sich dabei sicherer fühlt, wenn man selbst noch etwas in der Hand hat“. Dieses Empfinden ist glaube ich nicht ganz unberechtigt, wenn man sich vor Augen führt, dass in den Russlanddeutschen Gemeinden wo ich zu Hause bin, oft noch die „Du-musst-Theologie“ vorhanden ist (zumindest in den Köpfen einiger Geschwister – vermutlich spielt da auch die Mentalität eine nicht unerhebliche Rolle). Ich möchte mich aber davor hüten, alle diesbezüglich Andersdenkenden unter den Generalverdacht der Selbstgerechtigkeit zu stellen. Auch wenn ich überzeugt bin, dass die „Lehren der Gnade“ elementar wichtig für die Einheit der Gemeinde Jesu sind (an dieser Stelle sei das Buch von Tim Kelly empfohlen), so ist mir dennoch sehr gut bewusst, dass es zu allen Zeiten der Kirchengeschichte Menschen gab, die darüber unterschiedlicher Meinung waren und sich trotzdem in Liebe und Demut annehmen konnten und durch eine treue Nachfolge Jesu auszeichneten und von Gott in ihrem Dienst sehr gesegnet waren.

Du und ich stimmen überein, dass die Gläubigen eins in Christus sind – die Frage ist nur, wie sie dahin gekommen sind (ich glaube, dass du vor Grundlegung der Welt dazu erwählt worden bist, lieber Max 😉). Aber letztlich werden Jesu Jünger nicht an ihren gleichen Denkweisen in allen theologischen Einzelheiten oder der Zugehörigkeit zu einer „Gruppe“ erkannt (das Problem herrschte schon in Korinth vor), sondern daran, dass sie Liebe untereinander haben (Joh 13,35). Das meint nicht, dass man nicht darum bemüht sein sollte, um die Wahrheiten der Schrift zu ringen, daher schätze ich auch den Austausch mit dir sehr – letztlich wird es in diesen Fragen aber immer wieder unterschiedliche Meinungen geben, umso wichtiger ist es, dass wir einander annehmen, so wie Christus uns angenommen hat. Ein gutes Beispiel hierfür sind u.a. George Whitefield und John Wesley.

In der Liebe Christi verbunden,
Jürgen.

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