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Gedanken über Wurzeln, Heimat und Gottes Erde (1): Alice Mertons „No Roots“ und unsere entwurzelte Generation

Wer zurzeit regelmäßig Radio hört (oder hören muss), wird unweigerlich auf Alice Mertons „No Roots“ gestoßen sein (gut, es sei denn, man hört nur WDR5). In diesem musikalisch sehr eingängigen Lied beschreibt die Künstlerin ihre eigene Entwurzelung: Sie zieht von Ort zu Ort, packt immer wieder ihre Sachen und zieht weiter. Obzwar sie durchaus den Wunsch hat, einmal stillzustehen, räumt sie gleich ein, dass das nichts weiter als ein schöner Plan ist. Der Grundton bleibt: Merton wiederholt immer wieder, dass sie keine Wurzeln hat und ihr Heim sich nicht auf dem Erdboden befindet – wie denn auch, ohne Wurzeln?

Hier das Lied für alle, die es gerade nicht im Ohr haben:

Die FAZ hat vor einigen Monaten einen Artikel über Alice Merton veröffentlicht, in dem sie ein Portrait der Sängerin zeichnet. Auch die Entstehung von „No Roots“ wird darin thematisiert, wobei deutlich wird, dass Merton mit diesem Lied persönliche Erfahrungen verarbeitet und Authentizität grundsätzlich ein Schlüssel zu ihrem Erfolg ist. Mit der Wurzellosigkeit hat Merton, deren Eltern auch schon rastlos waren, wohl einen Nerv unserer Generation getroffen (zum Zeitpunkt des Interviews plant die 24-jährige gerade ihren zwölften Umzug).

Sie habe nie wirklich darüber nachgedacht, ob auch andere Menschen sich entwurzelt fühlten, fügt sie hinzu. Bis sie davon erfuhr, dass viele Hörer sich in ihrem Song wiedergefunden hätten: „Ich weiß immer noch nicht, ob es gut oder schlecht ist, dass wir jetzt so wurzellos sind und uns einfach ungebunden fühlen.“ Einerseits sei es schön, neue Orte zu entdecken. Andererseits verliere man Stabilität. Sie beobachte das auch in Beziehungen. Dass jemand sesshaft werde, komme selten vor: „Aber so entwickelt sich einfach die Gesellschaft.“

Weiter heißt es:

Auch wenn Merton heute Gefallen daran findet – als Kind fiel es ihr schwer, nirgendwo richtig Wurzeln schlagen zu können. Vor allem der ständige Abschied von Freunden machte ihr zu schaffen. „No Roots“ spiegelt das wider. Es ist eigentlich ein trauriges Lied, auch wenn es nicht so klingt: „Ich mag es eben, ernsthafte Themen zu Upbeat-Tempo-Nummern zu machen, also trotzdem tanzbar.“ Während ihrer Konzerte hüpft und tanzt sie daher auch über die Bühne, inklusive Headbanging, und fordert alle Anwesenden auf, es ihr gleichzutun: „Springt einfach, es befreit euren Geist und macht so viel Spaß.“

Die über 118-Millionen Klicks, die „No Roots“ bei YouTube bisher erhalten hat, weisen darauf hin, dass Merton tatsächlich einen Nerv getroffen hat (auch wenn, das gebe ich gerne zu, der Text sicher nicht von allen Hörern reflektiert wird). Dennoch wirft Merton interessante Fragen auf; und wenn wir uns und unsere Welt als Gottes Schöpfung verstehen, macht das die Sache nur noch spannender: Ist es wichtig, dass wir Wurzeln schlagen? Geht es nicht eigentlich nur darum, dass wir am Ende im Himmel landen? Ist das hier auf Erden nicht sowieso alles nur eine „Zwischenstation“? Auch Abraham hat doch (nur) nach der besseren Stadt Ausschau gehalten – und sowieso: Ist dieses ganze „Materielle“ nicht irgendwie „ungeistlich“?

Angeregt durch Mertons „No Roots“ möchte ich in den nächsten Tagen über diese Fragen nachdenken. Dazu werde ich morgen Hannah Anderson zu Wort kommen lassen, die ebenfalls, ähnlich wie Alice Merton, Entwurzelung erfahren hat, darüber allerdings explizit christlich nachdenkt. Anschließend möchte ich Rod Drehers Buch The Little Way of Ruthie Leming besprechen, um die Reihe dann wieder mit einem Lied von Danny Plett abzuschließen, das als christliche Antwort auf „No Roots“ verstanden werden kann.

Ich möchte meine „Gedanken über Wurzeln, Heimat und Gottes Erde“ gerne als persönliches Nachdenken über dieses Thema verstanden wissen und lade alle Leser herzlich zum Mitdenken (im Kommentarbereich) ein.

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