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Leben als Christ

Ernähre dich vom Original

Wir haben hier schon über das Buch „Wie dein Smartphone dich verändert“ geschrieben. Mein bester Freund empfahl mir vor einiger Zeit dieses Buch zur Lektüre. Anfangs wollte ich es nicht lesen, da mir die Stimmung sehr negativ vorkam. Wenn man sich nämlich den Titel samt Untertitel anschaut und dann noch die Überschriften im Inhaltsverzeichnis könnte man denken, das Buch wäre schwarzmalerisch und pessimistisch. Umso überraschter war ich dann beim Lesen, als ich feststellen musste, wie ausgeglichen und sogar positiv über die neuen und modernen Medien und Technologien geschrieben wurde. Tony Reinke gelingt es immer wieder, die neuen Medien und das Smartphone in den größeren Zusammenhang von Schöpfung und Geschöpf zu bringen und zu zeigen, was unser Technik-Verhalten mit Gott zu tun hat. Reinke nutzt selbst sein Smartphone ausgiebig und schreibt nicht als Lehrer, sondern als Lernender und zugleich merkt man, dass er im Umgang mit neuen Technologien Erfahrung und Weisheit besitzt. Zudem kommen immer wieder andere weise Christen zu Wort, wie zum Beispiel John Piper, von dem auch das exzellente Vorwort ist. Bei vielen Gefahren, die Reinke nennt und ausführt, musste ich feststellen, dass ich mein Smartphone oft sehr unreflektiert nutze. Das Buch half mir, mein Smartphone-Verhalten zu überdenken und auch zu ändern. In diesem Beitrag will ich eine Gefahr aus dem Buch herausgreifen und meine Erfahrung mit diesem Thema mitteilen. In Kapitel 5 beschreibt Tony Reinke die Gefahr, dass wir uns von künstlichen Produkten ernähren und nicht mehr von den Originalen. Er führt folgendes Beispiel zur Verdeutlichung an: Johnny Depp in Boston: Die Fans stehen am Rand und können ihn sehen, aber statt ihn anzusehen, halten sie ihre Handykameras auf ihn gerichtet und schauen auf das Abbild Johnny Depps, welches auf dem Handydisplay zu sehen ist. Nur eine ältere Frau schaut auf Johnny Depp (das Bild kann man hier sehen). 
Natürlich sahen die Fans, die auf ihr Handy schauten, Johnny Depp, aber eigentlich nur als Reproduktion. Das Original, Johnny Depp live, sahen sie nicht direkt an. Das Smartphone kann uns immer nur Bilder oder Videos zeigen, die eine Wirklichkeit abbilden, aber nie mit der Wirklichkeit vergleichbar sind. Das bedeutet nicht, dass man sich keine Bilder oder Videos auf dem Smartphone (oder anderen Displays) anschauen sollte und natürlich kann uns auch ein Video über den Grand Canyon erfreuen und zur Anbetung des Schöpfers führen. Dennoch wäre ein echter Besuch des Grand Canyons von ungleich höherem Wert. Wenn man wirklich beim Grand Canyon wäre, würde man nicht nur sehen (meistens nur in 2D) und hören können, sondern die Eindrücke mit viel mehr Sinnen erleben. Beim Grand Canyon oder sonst in der Natur kann man riechen (den Duft der Bäume oder Blumen), fühlen (den Wind auf der Haut, die wärmenden Sonnenstrahlen, die Erschütterungen beim Gehen …) und zusätzlich – nicht zu vergessen – sehen (die Farben und Formen der Felsen, Bäume und Gewässer und das in 3D…) und hören (das Plätschern des Bachs, Rauschen des Flusses, Vogelgezwitscher, Kuhglocken, Pfeifen des Windes oder auch eines Murmeltieres …).
Nach dem Beispiel von Johnny Depp und seinen Fans zeigt Reinke den größeren Zusammenhang von Medien und der Schöpfung: Alles im Universum sei von Gott erschaffen worden, um ihm Ehre zu geben. Die Medien könnten einen Beitrag leisten, dass man Gottes Herrlichkeit sieht.

„Wir wurden erschaffen, um den Reichtum der Herlichkeit Gottes zu sehen, zu schmecken und uns an ihm zu erfreuen (…) Und er erschuf eine faszinierende Welt der medienwürdigen Wunder, so dass wir all das wertschätzen und genießen können, ‚was wahrhaftig ist, was ehrbar, was gerecht, was keusch, was lieblich, was wohllautend, tugendhaft und lobenswert ist‘ (Phil. 4,8). Auf diese Weise werden wir genug damit zu tun haben, über Gottes Werke zu staunen: über die Bibel, über die Natur und über Gottes Gnade in den Menschen, die er erschaffen hat.“ (S. 112 -113).

Weiter führt Reinke eine These eines anderen Theologen an, die ich bei mir persönlich im Nachhinein bestätigt sah. Man kann als Smartphone-Nutzer dazu neigen, die wahre Welt um sich herum zu vernachlässigen und deren Schönheit übersehen. Ich habe vor über einem Jahr einen Urlaub in den Dolomiten gemacht, wo ich einige Selfies gemacht habe, um diese dann als Status zu setzen. Im Nachdenken darüber, werde ich den Eindruck nicht los, dass ich die Natur damals dadurch oft nicht bewusst wahrgenommen habe. (Damit habe ich nichts gegen Selfies oder Status generell gesagt). So formuliert also der angesprochenene Theologe, Andy Crouch, seine These folgendermaßen:

„Wenn unsere Aufmerksamkeit ständig darauf fixiert ist, wie man sich selber inszenieren kann, werden wir zwangsläufig blind für die Wunder der Schöpfung“ (…) [Dagegen] „entspringt alle wahre, beständige Kreativität aus einer tiefen, abenteuerlichen Beschäftigung mit der Fülle der Schöpfung. (…) Geh hinaus in die herrliche, furchteinflößende Schöpfung und lass dich ergreifen und dir das Herz brechen.“ (S. 114 vgl. auch hier). 


Als ich dieses Kapitel im Frühjahr las, nahm ich mir vor, einen Urlaub mal wieder ohne Smartphone oder zumindest ohne das Setzen der Status zu unternehmen, da ich – wie oben beschrieben – feststellen musste, dass es mich im Wahrnehmen der Natur einschränkte, der Schöpfung gegenüber gewissermaßen erblinden ließ und zudem meine Motive dahinter nicht gut waren. Vor genau zwei Wochen startete ich also in so einen Urlaub ohne Smartphone. Und ich habe bemerkt, dass mir das echt geholfen hat, die Schöpfung bewusst wahr zu nehmen, mich an ihr zu erfreuen und Gott anzubeten. Nebenbei meine ich, dass ich auch den Menschen in meinem Umfeld mehr Aufmerksamkeit und Zeit widmen konnte.
Tony Reinke beschließt den Abschnitt zu dem vorliegenden Thema mit einem Appell:

„Ja, kommt weg von den Displays und lasst euch von der Pracht der Schöpfung das Herze erweichen und lass dich von Gottes kreativer Kunstfertigkeit überfluten, wenn du in den Bergen Ski fährst, über einsame Pfade wanderst und in den Meeren tauchst. Doch damit nicht genug. Erklimme auch die Gipfel des Wortes Gottes. Lass die Bibel deine Ziele durchleuchten und deine wahren Motive zurechtstutzen, und lass es zu dass du überführt, zerbrochen und neu geschaffen wirst – und du wirst erleben, wie du in Gottes atemberaubender Gegenwart stehst (Hebr. 4, 12-13). Dann nimm all die erschaffenen und offenbarten Gaben, die Gott dir gegeben hat, und gestalte dein Leben, das der Welt zeigt, wie herrlich und erfüllend Gott wirklich ist. Das ist das Geheimnis, wie man große digitale Kunst in allen Formen kreieren kann.“ S. 113


Was mir besonders gut an dem Buch gefällt, ist, dass Tony Reinke immer wieder zum weisen Umgang mit Smartphone und den Medien aufruft. Ihm geht es nie darum, dass alle Leser die gleichen Maßnahmen ergreifen sollen. Sondern, das betont er immer wieder, jeder einzelne Christ ist selbst vor Gott verantwortlich und muss lernen, richtig mit den neuen Technologien umzugehen. Und das kann bei jedem anders aussehen. Und so soll dieser Artikel auch kein Appell sein, das Smartphone komplett wegzulegen oder ähnliches, sondern ein Erfahrungsbericht. Das Experiment (Smartphone weglegen – raus in das Umfeld/die Natur gehen, um diese(s) bewusster wahrzunehmen) kann man sicher auch im Alltag ausprobieren und kann einen Schritt darstellen, den weisen und verantwortungsvollen Umgang mit dem Smartphone zu lernen.

Eine Antwort auf „Ernähre dich vom Original“

Bin 21 Jahre alt und habe nun fast zwei Jahre kein Smartphone mehr. Aber- damit möchte ich niemals sagen, dass das jeder Christ so machen muss…! Nein, vielmehr sah ich damals, dass ich eben im Umgang mit meinem Handy einfach Probleme hatte. Zuviel Zeit auf WhatsApp, Zeitverschwendung beim Surfen, unsaubere Internetinhalte… – und deshalb beschloss ich damals diese radikale, verrückte Idee… Was anfangs sehr ungewohnt und auch (vermeintlich) einschränkend begann, entwickelte sich für mich zu einem Segensbrunnen.

Ich kann jeden nur ermutigen, diesen Schritt zu gehen oder es einfach auch mal für 2 Wochen zu versuchen!!!

Plötzlich hatte ich wieder viel mehr „Freizeit“ und ich wurde viel ausgeglichener.
Anfangs war es meine Befürchtung (und auch mein Contra-Totschlag-Argument), dass meine Freundschaften unter diesem Entzug leiden würden – aber das Gegenteil war der Fall! Gott schenkte mir plötzlich so gute, feste Freundschaften, wie ich sie zuvor nicht kannte.

Dies war eine der besten Entscheidungen meines Lebens, wobei ich damit nicht manifestieren möchte, dass ich niemals wieder ein Smartphone besitzen werde.
Aber jetzt ist es einfach bei mir persönlich noch nicht dran.

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