Kategorien
Gemeinde

Buchbesprechung „Auslegungspredigt“

Drei Phasen der Vorbereitung gesunder Auslegungspredigten

In dem ersten Band der Reihe „9Merkmale gesunder Gemeinden“, die in Deutschland vom Betanien Verlag herausgegeben wird, geht es um die Auslegungspredigt. Die gesunde Auslegung der Bibel trägt den Großteil zum Aufbau gesunder Gemeinden bei. Doch diese Disziplin fehlt heute vielen Predigern. Das Buch will da Abhilfe schaffen. In der Einleitung erklärt der Autor: „Der beste und einzige Weg, der Welt zu helfen, besteht darin, Gottes Wort in der Kraft des Heiligen Geistes zu verkündigen“ (S.11). Wie kann man nun aber das Wort Gottes in der Kraft des Heiligen Geistes verkündigen? Die Antwort liegt in der Praxis der Auslegungspredigt. „Textauslegendes Predigen ist kraftvolles Predigen, weil Form und Botschaft der Predigt der Form und Botschaft des Textes untergeordnet sind“ (S.11). Wie diese Predigtpraxis und die notwendige Vorgehensweise der Vorbereitung genau aussieht, darum geht es in dem Buch, welches hier erhältlich ist.

Helm benennt zunächst das größte Hindernis für Auslegungspredigten, dass man den Bibeltext zu schnell in den heutigen Kontext überträgt. Das kann sich zum Beispiel in dem sogenannten impressionistischen Predigen zeigen kann, bei dem man seinen eigenen Eindruck der Vorbereitung zugrunde legt. Der Predigttext wird so nicht realistisch wiedergegeben, sondern „Impressionistisch“.

Im weiteren Verlauf zeigt Helm auf, wie Predigten dem Text gerecht und treu sein können und gleichzeitig „relevant“: „Als Prediger müssen wir unter dem Licht des Wortes Gottes stehen, das in der Vergangenheit vom Heiligen Geist gegeben und schriftlich fixiert wurde. Unsere Aufgabe ist es, heute das zu verkünden, was Gott einst gesagt hat. Mehr nicht. Denn wenn wir das tun, spricht er noch immer.“

Dafür braucht es (1) die Exegese, in der die Bedeutung des Textes für die ursprünglichen Adressaten erfasst wird, dann (2) die theologische Reflexion, in der reflektiert wird, wie der Text in der Biblischen Theologie und wie seine Bedeutung im Lichte des Evangeliums einzuordnen ist und erst dann kommt (3) die Kontextualisierung, für die Helm auch viel Raum einräumt.

Das Wichtigste zuerst: Exegese

Wenn ich mit Menschen in meinem Umfeld spreche und sie darauf hinweise, dass man nicht jeden Bibeltext ohne weiteres auf uns anwenden kann, sondern zunächst die ursprüngliche Bedeutung erfassen sollte, stoße ich auf Unverständnis oder Sorge. Unverständnis, weil manche vorher gezogene Anwendung dadurch in Frage gestellt wird. Sorge darüber, dass es zu einer rein intellektuellen Predigt wird, ohne dass Gott zu den Herzen der Zuhörer spricht.

Gerade diese Sorge greift Helm auf und betont, dass man nicht bei der Exegese aufhören darf, weil es dann dazu kommt, dass die Predigt zu akademisch wird. Dennoch wird in dem Kapitel über die erste Phase der Predigtvorbereitung deutlich, wie wichtig die Exegese ist. Helm beschreibt eindrücklich, wie ihm persönlich die Bedeutung davon bei einem Treffen mit weiteren Pastoren und der Beschäftigung mit 1. Korinther 13 aufgegangen ist und ihm klar wurde, dass die Bedeutung eines Bibeltextes von seinem biblischen Kontext gegeben wird und nicht von dem gesellschaftlichen Kontext (bei 1. Kor. 13 wäre das die Hochzeitsgesellschaft). Er nimmt den Leser mit in sein persönliches Ringen, die Bedeutung verschiedener Aussagen im Judas-Brief zu verstehen, indem er die Grundmelodie desselben aufzeigt. Ganz praktisch vermittelt er so die Grundlagen der Auslegung, welche neben der Beachtung des biblischen Kontextes, dem Erkennen der Grundmelodie eines Buches auch im Erfassen der Struktur und Stoßrichtung liegen.

Exegese ist nicht alles

Wenn man allerdings bei der Exegese mit der Vorbereitung aufhören würde, dann wäre die Predigt entweder rein moralistisch oder wie oben schon angedeutet zu einem akademischen Kommentar. In der Gefahr, in einer Predigt nur die Bedeutung für die ursprünglichen Leser zu beschreiben, stehen nach David Helm gerade junge Prediger.

Deshalb war ich sehr gespannt auf die Ausführungen Helms zu der theologischen Reflexion. Was ist damit gemeint? Es bedeutet sich unter Gebet Zeit zu nehmen, vertieft darüber nachzudenken, wie der Bibeltext zu dem Heilsplan Gottes in Beziehung steht. „Es ist eine Übung, die danach fragt, wie mein Abschnitt mit der Bibel im Ganzen im Zusammenhang steht, vor allem aber mit dem Erlösungswerk Gottes in Jesus“ (S. 55).

Prediger müssen lernen die Bibel mit den Augen Jesu zu lesen, der als Auferstandener den Jüngern offenbart, dass es in der ganzen Schrift um ihn geht. Aber auch Paulus zeigt uns die richtige Perspektive, da er glaubte, dass die ganze Schrift auf den Tod und die Auferstehung Christi hindeutet. Auch Spurgeon wird angeführt, der bei seiner Herangehensweise an die Bibel stets Jesus in den Mittelpunkt stellte.

Ausgewogen und demütig

Obwohl Helm also dafür wirbt, dass jeder Prediger sich eine gute Biblische Theologie erarbeitet, damit dieser jeden Abschnitt der Bibel mit der großen roten Linie der Offenbarung Gottes in Verbindung bringen kann, zeigt er auch Grenzen der Biblischen Theologie auf. Insgesamt gefällt mir seine ausgewogene und unaufgeregte Art sehr, die das ganze Buch durchzieht. Bei der Fokussierung auf die Biblische Theologie benennt er beispielsweise auch die Gefahr, dass man die eigentliche Aussage eines Textes verpasst, weil man ihn nur als Sprungbrett zum Evangelium nutzt: „Eine solche Verkündigung entkoppelt den christlichen Glauben von seinem historischen Hintergrund.“ Auch wenn er über die Systematische Theologie spricht und ihren Nutzen für die Predigtvorbereitung aufzeigt, macht er klar, dass diese nicht über dem jeweiligen Text stehen darf, damit man nicht ein System predigt, sondern Gottes Wort.

Die Areopagpredigt von Paulus (Apostelgeschichte 17, 22-31) wird gleich mehrmals als ein Beispiel einer guten Verkündigung verwendet. Er entnimmt ihr Impulse für die Herausforderung, Biblische Theologie anzuwenden, ohne zu enthistorisieren. Aber sie dient auch als Beispiel für die Balance, den gesellschaftlichen Kontext zu berücksichtigen, die Kultur aufzunehmen und dennoch die Botschaft nicht der Kultur anzupassen.

Der gesellschaftliche Kontext ist für die Predigtvorbereitung wichtig, nur sollte er zurückgestellt werden und erst nach Exegese und theologischer Reflexion bedacht werden. Neben der Berücksichtigung der Zuhörerschaft, geht es dabei um die Anordnung des bisher erarbeiteten Materials und um die Anwendung der Botschaft. Helm plädiert für Klarheit in der Anordnung des Materials (Thema benennen, direkte Ansprache) und betont den Nutzen der Entsprechung zum Bibeltext (Predigtgliederung vom Text vorgeben lassen und nicht umgekehrt). Dann können tiefgründige Anwendungen gezogen werden, die nicht nur appellieren, etwas zu tun oder zu lassen, sondern die auf die Veränderung des Herzens abzielen.

Helm ist dabei weit davon entfernt, eine Methodik der Predigtvorbereitung zu zeigen, die aus sich heraus Kraft habe. Vielmehr ermutigt er zu einer demütigen, abhängigen Haltung gegenüber Gottes Kraft. „Vor allem muss die theologische Reflexion mit Gebet beginnen. Das heißt, dass die „Arbeit“ der theologischen Reflexion nur durch Gebet getan werden kann“ (S. 62).

„Wahres Leben und wahre Veränderung unserer Zuhörer kommt nicht durch unsere eigene Genialität, sondern durch das Wort des Heiligen Geistes (Johannes 6,63), das in klarer Sprache verkündigt wird, und zwar von einem Prediger, der auf Gott schaut“ (S. 89f).

Gelegentlich werden die Ausführungen durch hilfreiche Skizzen veranschaulicht. Abgerundet wird das Buch durch einen praktischen Anhang mit Fragen, die man bei der Predigtvorbereitung als Checkliste nutzen kann.

Fazit: eine gute und hilfreiche Einführung in die Auslegungspredigt

Im Laufe des Buches lernt man einen Prediger des 19. Jahrhunderts kennen, der als treuer Auslegungsprediger gilt: Charles Simeon. Von ihm hat David Helm die Ziele der Auslegungspredigt übernommen: den Sünder demütigen, den Erlöser erhöhen und die Heiligkeit fördern. Seine Überzeugung hinsichtlich Schriftauslegung beschrieb Simeon so: „Mein Streben ist, das aus der Bibel herauszuholen, was in ihr steckt, und nicht das hineinzulegen, wovon ich denke, dass es dort sein könnte. Mein Eifer gilt diesem einem Ziel: niemals mehr oder weniger als das zu sagen, wovon ich glaube, dass es die Aussageabsicht des Heiligen Geistes in dem von mir betrachteten Bibeltext ist.“ (S. 10, zitiert aus Handley Carr Glyn Moule: Charles Simeon (London: Methuen & Co., 1892), S. 97.)

Diese Ziele und die Überzeugung durchziehen das Buch und sind es wert, auch heute von vielen Predigern beachtet zu werden. Mit diesem Buch erhält der Leser eine gute Einführung in die Vorbereitung einer Predigt, die den Bibeltext aus-legt, im Licht des Evangeliums erklärt und für den Hörer der heutigen Zeit anwendet.

Kommentar verfassen