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Gemeindemitgliedschaft. Wie die Welt sehen kann, wer zu Jesus gehört

In der Reihe der Rezensionen zu der „9Marks“-Buchreihe geht es heute weiter mit dem von Jonathan Leeman verfassten „Gemeindemitgliedschaft. Wie die Welt sehen kann, wer zu Jesus gehört“.

Ich gebe zu, dass meine Erwartungen zu Beginn der Lektüre nicht besonders hoch waren. Nicht, weil ich dem Autor keine wertvollen Inhalte zugetraut hätte, sondern weil ich persönlich wenig Erwartungen an das Thema hatte. Gemeindemitgliedschaft war und ist für mich selbstverständlich und daher ging ich davon aus, nur wenige „Aha“-Momente zu erleben und im besten Fall gute und wohlfeil klingende Argumente zu finden, die man an „Gemeindeverweigerer“ weitergeben könnte.

Aber Leeman liefert in seiner kleinen Ekklesiologie deutlich mehr als das. Er öffnete mir neu die Augen für die Einzigartigkeit und Faszination der Gemeinde. Gleich in dem ersten Kapitel „Bisher lagen wir völlig falsch“ zeigt er auf, dass die Gemeinde die Autorität auf Erden ist, mein und dein Leben als Christ offiziell zu bestätigen und zu gestalten, ähnlich dem Staat für die säkularen Geschäfte. Gemeinde ist kein Verein, dem man beitreten kann, sondern das Unterordnen unter Gottes Herrschaft und unter unsere Geschwister. All das ist zunehmend unter Beschuss, da Individualität und Konsumdenken die Idee der Gemeinde unterminieren.

Im zweiten Kapitel nimmt er die neutestamentlichen Texte unter die Lupe und hält mehrere Dinge fest: Die auf dem Evangelium basierende Gemeinde besteht aus einzelnen Christen, die sich innerhalb von lokalen Gruppen vernetzen. Die Ortsgemeinden verstehen sich als völlig anders als die sie umgebende Welt und grenzen sich deutlich von ihr ab. Die Gemeinde gibt dem Einzelnen die Richtung für sein persönliches Leben vor, so dass man zusammenfassen kann: Christsein heißt, zu einer Gemeinde zu gehören.

Im dritten Kapitel geht er darauf ein, was genau eigentlich Gemeinde und Gemeindemitglied sind. Seine Definition lautet: „Eine lokale Gemeinde ist eine Gruppe von Christen, die sich regelmäßig im Namen Jesu versammelt, um sich gegenseitig durch die Predigt und die Gnadenmittel (Taufe und Abendmahl) die Zugehörigkeit zu Jesus Christus und zu seinem Reich offiziell zu bestätigen und zu beaufsichtigen.“ (S. 45) Die Gemeinde besitzt die Autorität des Himmels, um zu erklären, wer zu ihr gehört und damit Jesus selbst repräsentiert. Die Mitgliedschaft ist die formelle Erklärung des Einzelnen, zu einer Gemeinde zu gehören und daraufhin die Bestätigung der Gemeinde, die einzelne Person als Mitglied und Repräsentant des Himmels aufzunehmen.

Im nächsten Kapitel wird eindrucksvoll beschrieben, welche Bilder die Bibel nutzt, um die Gemeinde zu beschreiben. Die vielfältigen Metaphern und Vergleiche lassen letztendlich nur einen Schluss zu: Die Gemeinde ist einzigartig und mit nichts auf dieser Erde zu vergleichen. Alle Bilder können immer nur Teile der Gemeinde beschreiben. Leeman weist daraufhin, dass Fehler passieren können, wenn z.B. Älteste sich nur ein Bild der Gemeinde herauspicken und andere unberücksichtigt lassen.

Welche Voraussetzungen für Gemeindemitgliedschaft bestehen, wird in Kapitel 5 beschrieben. Die Antwort ist ziemlich simpel: Man muss Christ sein. Der Autor benennt die Gefahr des Moralismus, die auch bei der Aufnahme von neuen Mitgliedern auftreten kann. „Die Person muss das Evangelium verstehen und glauben, um einer Gemeinde beizutreten.“ (S. 75) Das Evangelium zu kennen bedeutet, in ständigem Bewusstsein der Abhängigkeit von Gott zu leben und dementsprechend ein Leben in Buße zu führen. Eine zusätzliche Sache aber gibt es noch, die neben der Errettung erwartet werden sollte: Die Taufe, die als Ausdruck der Identifikation des Einzelnen mit Christus fungiert. Ein Zitat dieses Kapitels: „Wir dürfen auch den anstrengenden Christen nicht den Beitritt in unsere Gemeinden verwehren“ (S. 80)

Leeman geht dann noch auf Unterordnung ein und beschreibt anhand von Philipper 2 Jesus Christus als größtes Vorbild in der Unterordnung: „Möchtest du wissen, wie ein Bekenner des Evangeliums zusammen mit anderen Christen leben soll? Schau einfach auf deinen Retter!“ (S. 83). Gegenseitige Unterordnung führt zur Einheit und ist ein gewaltiges Zeugnis für die Welt. Zum Abschluss des Kapitels wird erläutert, wie Unterordnung praktisch aussehen kann (z.B. geografisch, finanziell, beruflich, geistlich, etc.).

In einem weiteren Abschnitt geht es um Gemeindezucht. Der Autor gibt hier eine kurze Zusammenfassung des Buches der 9Marks-Reihe zur Gemeindezucht, was hier bereits von uns besprochen wurde.

Natürlich gibt es Unterschiede zwischen Gemeindemitgliedschaft im Westen und in Staaten, in denen vielleicht Christenverfolgung die Tagesordnung bestimmt. Im letzten Kapitel wird darauf eingegangen und zugleich darauf hingewiesen, dass es sich vor allem um strukturelle Fragen handelt. Leemans Faustfomel lautet: Je mehr Akzeptanz eine Gemeinde in der sie umgebenden Gesellschaft hat (z.B. im Westen), desto mehr Struktur benötigt diese häufig. Nichtsdestotrotz sind Dinge auch gleich: Unterordnung unter die Leitung, Prüfung des Einzelnen vor der Aufnahme, etc. Unterschiedlich sind diese Dinge oft nur in der konkreten Ausführung.

Insgesamt hat Leeman ein für die heutige Zeit wichtiges Buch verfasst. Diskussionswürdige Aspekte gibt es bei den Fragen zum Verhältnis zwischen Israel und der Gemeinde, sowie bei seinem kongregationalistischen Verständnis zur Wahl von Ältesten, die bei diesem Thema aber zwangsläufig nicht ausbleiben können.

Das Buch ist beim Betanien-Verlag erschienen und eine Ermutigung für aktiv gelebte Gemeindemitgliedschaft. Mit knapp 120 Seiten ist die Lektüre auch an wenigen Abenden zu meistern.

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